Als Reaktion auf die europäische Schuldenkrise hat sich hierzulande, in Form der Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD), Widerstand gegen die Eurorettungspolitik der Bundesregierung geformt. Die AfD mit ihrem Vorsitzenden, dem Hamburger Ökonomie-Professor Bernd Lucke, fordert u.a. eine „geordnete Auflösung des Euro-Währungsgebiets“ und die „Wiedereinführung nationaler Währungen“. Diese Forderungen sind nicht nur leichtsinnig und gefährlich, sondern haben das Potenzial, Wohlstand in allen Ländern Europas zu vernichten. Europa braucht keine Auflösung des Währungsgebietes, sondern vielmehr eine Neustrukturierung auf der Basis neuer Verträge, vor allem aber: Europa braucht Europa!
Es steht außer Frage: der Maastrichter Vertrag, der die Stabilitätskriterien für die Eurozone festschreibt, wurde gebrochen und die sogenannte No-Bailout-Klausel, die direkte Finanztransfers zwischen den Mitgliedsstaaten verbietet, um keine Fehlanreize zur Verschuldung zu erzeugen, wurde nicht eingehalten. Ausgerechnet Deutschland, der vermeintliche Musterknabe der Stabilitätspolitik, hat als erstes Land diesen Vertrag gebrochen, indem es seine Neuverschuldung auf mehr als die zulässigen 3% nach oben trieb. Konsequenzen hatte dies keine, außer andere Länder zu ermutigen, das gleiche zu probieren. Gerade erst wurde im Zuge der Finanzkrise eine Gruppe europäische Länder, darunter Frankreich, Spanien, die Niederlande und Portugal aus dem Verfahren zum geordneten und zügigen Defizitabbau entlassen, obwohl die Länder mehrmals gegen die 3 %-Klausel verstoßen haben. Mit anderen Worten: Die vermeintlich solide vertragliche Basis für die Währungsunion war das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben stand. Statt Stabilität und Ordnung herrscht im sogenannten „Stabilitätspakt“ hektischer Aktionismus!
Doch die Antwort auf diese schwierige Lage kann nicht sein, die Währungsunion aufzugeben. Dies wäre – und das wird von der AfD systematisch unterschätzt – ein Spiel mit dem politischen Feuer. Die Ressentiments gegenüber Deutschland sind inzwischen enorm, auch wenn wir Deutschen glauben, besonders freundliche und hilfsbereite Europäer zu sein. Ausgehend von den Ressentiments erscheint die Auflösung der Eurozone möglicherweise als etwas Positives für Europa, weil man als Nationalstaat wieder unabhängig handeln kann und dies mögliche Konfliktpotenziale reduziert. Doch wie wahrscheinlich ist das? So wie die Stimmung zurzeit ist, werden die heutigen Krisenländer Deutschland nicht in die währungspolitische Unabhängigkeit entlassen, ohne umfangreiche Gegenleistungen zu erwarten. Man darf nicht den Fehler machen zu glauben, dass Deutschland mit Aufgabe der Währungsunion keine Verantwortung für den Großteil der – bereits jetzt de facto vergemeinschafteten – Lasten übernehmen muss. Das aber würde nach der Aufgabe der Währungsunion die Stimmung auch in Deutschland kippen lassen. Die Konsequenzen werden erhebliche Konflikte zwischen den Noch-Mitgliedern der Währungsunion sein, die im großen Stil Wohlstand in allen anderen Ländern Europas vernichten werden.
Darüber hinaus würden Europa und Deutschland sich im Welthandel massiv schwächen. Die aktuellen Verhandlungen über ein transatlantisches Freihandelsabkommen lassen sich als vereintes Gesamteuropa sehr viel effektiver führen. Ein einziger Nationalstaat hätte bei weitem nicht die Verhandlungsmacht gegenüber den USA, die ein großer Währungsraum bringen kann. Dies gilt auch für Deutschland.
Was kann also getan werden?
Die Antwort auf die Krise sind nicht weniger, sondern mehr und bessere, gemeinsame europäische Verträge. Es müssen Verträge sein, die einen stärker selbstdurchsetzenden Charakter haben, d.h. ihre Erfüllung muss im ureigenen Interesse der Mitgliedsländer sein. Dies erreicht man nur, wenn den Vertragspflichten auch wirksame Sanktionen im Fall von Pflichtverletzungen gegenüber stehen. Genau dies war bei Deutschlands Bruch der Stabilitätsregeln nicht der Fall und auch heute gibt es keine wirklich schmerzhaften Strafen. Wenn wir heute über eine – sehr sinnvolle – Schuldenbremse sprechen, muss diese ein Teil der fiskalischen Integration sein und sollte „Folterinstrumente“ wie beispielsweise Kürzungen von Mitteln aus den Strukturfonds beinhalten. Nur wer Sanktionen genau vorhersehen kann, kann eine präzise Kosten-Nutzen-Abwägung eines Regelbruchs vornehmen. Gibt es keine glaubhaften Sanktionen, nützen die besten Regeln nichts.
Wenn die „Alternative für Deutschland“ sich aber auf rein ökonomische Argumente beschränkt, um die Auflösung des Euros zu begründen, dann ignoriert sie das politische Ausmaß, das eine solche Auflösung hätte. Die Grundidee des Euros war ja nicht nur, den Handel unter den Mitgliedsstaaten zu erleichtern, sondern den Handel als ein Instrument für Förderung des europäischen Zusammenhalts und des Friedens auf dem seit Jahrhunderten durch gewaltsame Konflikte geschundenen Kontinent einzusetzen. Die Eurokrise ist im Vergleich dazu ein triviales Problem, das jedoch das Potenzial zu schlimmeren Konflikten hat, wenn die nationalen Egoismen überhand gewinnen. Die Geschichte hat gezeigt, dass ein nationalistisch geprägtes Europa nicht funktioniert, sondern nur ein gemeinsames. Eine gemeinsame Währung gehört zu solch einem gemeinsamen Europa ohne Frage dazu. Der Fehler der AfD ist, dass sie den europäischen Frieden und den europäischen Binnenmarkt als Selbstverständlichkeit voraussetzt und davon ausgeht, dass beide auch bei der Rückkehr zu nationalen Währungen weiterhin gegeben wären. Diese Annahme ist aber naiv und gefährlich für den Frieden und Wohlstand in Europa. Die Eurokrise mag zwar schlimm sein und führt sicherlich auch zu internen Spannungen, doch jetzt gilt es eine gemeinsame Lösung für die gemeinsame Krise zu finden, aus der Europa dann gestärkt hervorgehen wird.
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