Mit Hilfe hoher Subventionszahlungen ist in den vergangenen Jahren der Ausbau der erneuerbaren Energien durch das deutsche Erneuerbare Energien-Gesetz (EEG) sukzessive vorangetrieben worden. Zu Beginn der Energiewende wurden dieser Ausbau und die damit verbundenen Belastungen durch steigende Subventionszahlungen von der Bevölkerung noch sehr positiv aufgenommen, doch inzwischen mehren sich die Zweifel an dieser Strategie. So verwundert es kaum, dass die Energiewende und die Reform des EEG zu den großen Themen der Koalitionsverhandlungen zwischen CDU, CSU und SPD gehörten (und davor auch schon in den schwarz-grünen Sondierungsgesprächen ein zentraler Streitpunkt waren). Ein Weiter-so kann und wird es dabei kaum geben, denn der stark gestiegene Absatz von Solaranlagen führt – wie im Folgenden zu zeigen sein wird – dank garantierter Einspeisevergütungen direkt in eine energiepolitische Sackgasse!
Der Hintergrund für diese Befürchtungen ist, dass die entstandene Kostenexplosion bei der so genannten EEG-Umlage – die Kanzlerin versprach 2011 eine Umlage von 3,5 Cent pro Kilowattstunde, heute beträgt sie bereits 5,3 Cent mit weiter steigender Tendenz – der allokativen Effizienz schadet, sozialpolitisch fragwürdig ist, zu verfehlten industriepolitischen Zielen beiträgt und dem Land finanzielle Ressourcen raubt, die an anderer Stelle dringender benötigt würden. Diese Probleme treten unabhängig von der Frage auf, ob das EEG seine ökologischen und klimapolitischen Ziele erreicht oder nicht. Eine Korrektur des EEG ist also nötig und die neue – vermutlich schwarz-rote – Regierung darf dabei auch nicht davor zurückschrecken, staatliche Förderzusagen der vergangenen Jahre zu revidieren.
Um die Probleme, die das EEG auslöst, besser einordnen zu können, hilft ein Blick zurück in die Anfangszeit des Gesetzes, die eng mit dem deutschen Traum von der Marktführerschaft in der zukunftsweisenden und mit grenzenlosem Energieerzeugungspotenzial verbundenen Solarbranche verknüpft ist. Lange Zeit erschien dieser Traum erreichbar: Noch im Jahr 2008 kam der größte Hersteller von Solarzellen aus Deutschland und vor allem in den strukturschwachen ostdeutschen Bundesländern entstanden zahlreiche neue und anspruchsvolle Arbeitsplätze, was für sich bereits als politische Legitimation des nachfolgenden Förderungswahn angesehen wurde. Förder„wahn“ deshalb, weil im Jahr 2013 die Realität deutlich anders aussieht. Trotz explodierender Subventionen kommen die Marktführer der Branche nicht mehr aus Deutschland, wo die bisherigen Platzhirsche der Branche inzwischen gegen die Pleite kämpfen, sondern aus den USA und Asien. Schuld an dieser Entwicklung ist zu einem großen Teil eben diese deutsche Subventionspolitik. Sie führte zu massiven Fehlanreizen bei den Unternehmen.
Wie konnte es zu diesen Fehlentwicklungen kommen, die heute so dringend wieder korrigiert werden müssen? Die hohen, durch das EEG staatlich garantierten Einspeisevergütungen (also die Beträge, die bei der Abgabe pro Kilowattstunde Strom in das allgemeine Netz gezahlt werden) sorgten von Beginn an für einen starken Anstieg der Nachfrage nach Solaranlagen. In den frühen Jahren der Subventionierung traf diese Nachfrage auf ein überschaubares, vor allem in Deutschland produziertes Angebot. Für die deutschen Hersteller lohnte sich in dieser Situation eine Mengenstrategie, da die garantierte Vergütung der Nachfrager auch bei nicht sonderlich effizienten Solaranlagen immer noch großzügig bemessen war. Anstatt in Forschung und Entwicklung zu investieren, legten die Unternehmen der Solarbranche ihren Fokus – wenig überraschend – auf die Ausdehnung ihrer Produktionskapazitäten. Dies sollte sich als der Anfang vom Ende der deutschen Solarbranche herausstellen, denn mit dieser staatlich beförderten Strategie avancierten Solarzellen zunehmend zur industriellen Massenware. Durch steigende Skalenerträge ließen sich beträchtliche Preissenkungen realisieren, doch vor allem die aufstrebende asiatische Konkurrenz mit extrem niedrigen Fertigungskosten (auch und gerade beim Faktor Arbeit) übernahm schnell die Kostenführerschaft in dieser Branche. Dem hatten die deutschen Hersteller mangels überzeugender Produktinnovationen wenig entgegenzusetzen.
Die weiter sprudelnden Subventionen kaschierten den Verlust an Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Solarindustrie für eine Weile, doch mit der Zeit kombinierten zunehmend mehr Anlagenbetreiber die hohen Einspeisevergütungen mit den sehr günstigen asiatischen Solaranlagen, wodurch die privaten Nutzen weiter erhöht werden konnten. Die deutschen Hersteller gerieten in der Folge immer weiter ins Hintertreffen (derweil sich die deutsche Installateure von Solaranlagen weiter freuen konnten). Fast lehrbuchmäßig zeigt sich an diesem Beispiel, wie sich durch einen künstlichen Nachfrageschub die frühzeitige „Bestrafungsfunktion“ des Marktes gegenüber ineffizienten Produzenten hinauszögerte, weshalb zwingend erforderliche Strategie- und Strukturanpassungen der Unternehmen ausblieben und am Ende nur noch ein „Totalschaden“ aus Unternehmenspleiten und Verschwendung von Steuergeldern übrig blieb.
Unbekannt waren weder der zuvor beschriebene Marktmechanismus noch kamen die Probleme der deutschen Solarbranche überraschend – Marktbeobachter wiesen seit Langem darauf hin. Jedoch erschien aus der Sicht der Politik eine Subventionierung der Branche mit dem Versprechen, Arbeitsplätze (in Ostdeutschland) zu schaffen, zu verlockend. Der politisch „elegante“ Umweg, die EEG-Umlage von den Stromkunden direkt zahlen zu lassen, anstatt die Subventionierung budgetwirksam werden zu lassen, machte diese Strategie für die Politik zusätzlich attraktiv. Letztendlich aber, so muss heute konstatiert werden, besiegelte die Politik damit den Niedergang einer Branche, die als Hoffnungsträger in vielen deutschen Regionen galt. In diesem Sinne wurde das – allerdings ohnehin kritisch zu bewertende – industriepolitische Ziel des EEG ebenso verfehlt wie die arbeitsmarktpolitische Zielsetzung.
Auch aus allokativer Sicht muss die Subventionsstrategie des EEG als Instrument zur Umsetzung der Energiewende als verfehlt angesehen werden. Die hohen Fördersätze führten zu einem überproportionalen Ausbau von Solaranlagen, obwohl Strom aus Sonnenenergie in Deutschland im Vergleich zu anderen regenerativen Energien wie Wasserkraft und Windenergie in der Erzeugung keinen ausgesprochenen Vorteil hat. Weder ist Sonne (vor allem im Vergleich zu südlicheren Ländern) besonders reichlich vorhanden, noch ist Sonnenenergie wegen einer eher niedrigen Energieausbeute der Solarzellen besonders kostengünstig zu erzeugen (dennoch wird sie mit 246 Euro pro erzeugter Megawattstunde viel höher subventioniert als bspw. Windenergie mit 49 Euro).
Wenn aber überhaupt eine Subventionierung erfolgen sollte (z.B. aus umweltpolitischen Erwägungen zur Internalisierung von negativen Externalitäten), dann dort, wo die relativ höchste Effektivität pro eingesetztem Euro erreicht wird. Das Beispiel Polen, wo ein vorgegebenes Mengenziel bei der CO2-Reduktion ohne Bevorzugung einer Technologie angestrebt wird, zeigt, wie eine ausgewogene Förderungspolitik erneuerbarer Energien funktionieren sollte. Allein Kosten- bzw. Effizienzgründe bestimmen, welche Technologie eingesetzt wird. So ergibt es sich, dass die Windenergie in Polen einen doppelt so hohen Anteil an den erneuerbaren Energien liefert wie in Deutschland, obwohl die klimatischen Umstände ähnlich sind. Dies zeigt auf eindringliche Weise die Ineffizienz der staatlichen Markteingriffe durch das deutsche EEG mit seiner Bevorzugung der Solarenergie. Schon der Ordnungsökonom Friedrich August von Hayek hatte stets vor dieser Art von planerischem Eingriff durch den Staat gewarnt und stattdessen marktliche Lösungen als das einzig effiziente Allokationsinstrument angemahnt. Polen ist Hayek in diesem Sinne näher als Deutschland, auch wenn ihm vermutlich selbst der polnische Markteingriff zu weit gegangen wäre.
Schließlich werden durch eine Umverteilung von „unten nach oben“ auch distributive Staatsziele auf eklatante Weise verletzt. Unternehmen, in denen Strom ein zentraler Produktionsfaktor ist (wie etwa in der Aluminium-Herstellung) können sich zur Sicherung ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit von der EEG-Umlage befreien lassen, wobei die Mindereinnahmen auf die restlichen Stromkunden, d.h. auch auf die privaten Haushalte, umgelegt werden. Mittlerweile profitieren bereits über 2300 deutsche Unternehmen von dieser Befreiung, darunter auch Golfplätze und Kinos! Neben der zusätzlichen verzerrenden Wirkung dieser Ausnahmeregelung kommt es zu einer substanziellen Umverteilung, bei der Kapitaleigner entlastet und ausgerechnet die einkommensschwächsten Haushalte zusätzliche Lasten schultern müssen. So übersteigen die tatsächlichen Stromkosten die im Hartz IV-Regelsatz veranschlagten Stromkosten bereits um ein Drittel! Dagegen sind Haushalte mit Wohneigentum, durch die Möglichkeit Solarstrom zu erzeugen besser gestellt, was ebenfalls ein sozialpolitisch fragwürdiges Ergebnis der EEG-Umlage ist. Daran ändern auch die zuletzt beschlossenen Einschnitte bei der Förderung von Solaranlagen wenig, da sie keinen Einfluss auf die bereits genehmigten Förderbeträge haben. Durch diese führen höhere Produktionsmengen an erneuerbaren Energien weiterhin zu steigenden Strompreisen für die Endverbraucher. Dieses Paradoxon ist der steigenden Differenz zwischen dem staatlich garantierten Abnahmepreis für Solarstrom und dem tatsächlichen Preis an den Strombörsen geschuldet.
Aus dem solaren Dilemma führt daher nur ein Weg heraus, das die Großkoalitionäre nun schnellstens angehen müssen: Auch wenn die Fördersätze für neu installierte Solaranlagen bereits abgesenkt wurden, sind es vor allem die Zusagen für bestehende Anlagen, die dringend revidiert werden müssen, um die Stromkosten signifikant zu senken. Vorstellbar wäre dabei eine Reduzierung der Vergütung in einem Ausmaß, das eine marktübliche Rendite der installierten Anlagen gerade gewährleistet (denkbar ist eine Rendite in gleicher Höhe wie deutsche Staatsanleihen). Dies würde garantieren, dass das vorhersehbare Argument der Betreiber, dass eine solche Absenkung einer Enteignung gleichkäme, entkräftet würde, da die Entlastung des Gemeinwesens von einer gravierenden politischen Fehlentscheidung mit hohem gesellschaftlichen Kostenpotenzial höher zu bewerten wäre als eine Renditeabsenkung auf ein „normales“ Niveau.
Eine Korrektur wäre ein starkes Signal der Politik, die gesellschaftlichen Interessen in den Vordergrund zu stellen, verbunden mit der Hoffnung auf zukünftig besser durchdachte Entscheidungen. Ein Blick auf die Eckdaten des neuen Koalitionsvertrags gibt allerdings keinen Anlass für übertriebenen Optimismus, dass vergangene Fehlentscheidungen in der beschriebenen Weise zurückgenommen werden. Allenfalls indirekt könnte es zu einer Beteiligung von Altbesitzern von Solaranlagen kommen, wenn es diese dazu verpflichtet werden sollten, sich an der Finanzierung der Grundlastbereitstellung zu beteiligen. Da unterschiedliche Wetterlagen Sonne und Wind zu unzuverlässigen Energielieferanten machen, Strom aber zu jeder Zeit bereitgestellt werden muss, entstehen hohe Kosten durch das Vorhalten von konventionellen Kraftwerksreserven (Gas, Strom). Die Altbesitzer im Sinne der Sicherung der Energieversorgung daran zu beteiligen und ggf. umweltfreundliche Pumpspeicherwerke zu finanzieren, könnte hierbei ein gangbarer Weg sein.
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Dieser Artikel ist ein für die Blogparade des Wirtschaftwurms “Förderung erneuerbarer Energien und das EEG” angepasster Beitrag von Jan Menzel, den er auf unserem Blog am 2. September diesen Jahres veröffentlicht hat.
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