Die Internationalisierung der Deutschen Bahn – Auf Staatskosten zum Global Player?

Marode Bahnhöfe, Brücken und Gleise, dazu ständige Verspätungen oder sogar Zugausfälle bei stetig steigenden Fahrpreisen: Kritiker der Deutschen Bahn AG bemängeln immer wieder dieselben Missstände und der Staatskonzern wird zum Dauerär­gernis. Fehlt dem Unternehmen wirklich das Geld um einen reibungslosen Schienenverkehr anzubieten oder resultieren die Probleme aus einer seit Jahren fehlgeleiteten Bahn­politik, die statt auf die Qualität der angebotenen Leistungen nur auf möglichst hohe Kapitalrenditen abzielt und dafür Kosteneinsparungen durch Personalkürzungen und Investitionsrückstellungen in Kauf nimmt?

Wer im August letzten Jahres versuchte, von Mainz aus mit der Deutschen Bahn zu reisen, brauchte entweder viel Geduld oder bestenfalls eine alternative Beförderungsmöglichkeit. Es kam zu zahlreichen Verspätungen und Zugausfällen, teilweise war der Hauptbahnhof komplett vom Fernverkehr abgeschnitten. Grund für die Mi­sere war und ist der offensichtliche Personalmangel der Deutschen Bahn, der sich in diesem Fall besonders in den Mainzer Stellwerken bemerkbar machte. Bundesweit stellt dies ein ständiges Problem dar, aber im letzten Sommer eskalierte die durch Krankheit und Urlaube ausgelöste Situation in Mainz, sodass sich die Bundesnetzagentur einschaltete und mit Sanktionen drohte: „Die Bundesnetzagentur hat frühzeitig darauf hingewiesen, dass die Stellwerksprobleme in Mainz nur die weithin sichtbare Spitze eines Eisbergs sind“, sagte der Präsident Jochen Homann dem Handelsblatt. Weiterhin kritisierte er, es sei zu massiven Behinderungen des Zugverkehrs gekommen, „weil die Netztochter der Deutschen Bahn eine ausreichende Personalvorsorge versäumt habe.“

Die problematische Personalsituation des Konzerns ist jedoch kein plötzliches Phäno­men, sondern das Ergebnis jahrelanger Kürzungen von Arbeitsplätzen zur Kostensenkung und Profitsteigerung. Mitte des Jahres 2013 beschäftigte die Bahn rund 296.000 Mitarbeiter und damit ca. 35.000 weniger als noch zu Beginn der Bahnreform im Jahr 1994. Im Zuge der damaligen Reform wurden die Deutsche Bundesbahn und die Deutsche Reichsbahn als privatrechtlich organisierte Eisenbahngesellschaft des Bundes zur Deutschen Bahn AG. Die Bahnreform hatte im Wesentlichen drei Ziele: Den Anteil der Schienennutzung am gesamten Verkehrsaufkommen zu erhöhen, die öffentlichen Haushalte dauerhaft zu entlasten sowie die beiden deutschen Staatsbahnen in ein wettbewerbsfähiges Unternehmen zu transformieren.

Gründe für die mangelhafte Leistung im Inlandsgeschäft

Aus finanzieller Sicht ist die Deutsche Bahn AG ein profitables Unternehmen, das in den letzten 10 Jahren konstant Gewinne von bis zu 1,7 Milliarden Euro erwirtschaftete. Im Jahr 2012 waren es ca. 1,5 Milliarden Euro, wovon die Bahn allerdings nur etwa 500 Millionen Euro Dividende an den Bund ausschüttete. Im selben Jahr subventionierte dieser die Bahn jedoch mit rund 8 Milliarden Euro. Die jährlichen Subventionen sind nicht der einzige Weg, auf dem die Bahn in der Vergangenheit Finanzierungshilfen vom Staat in Anspruch nahm. Im Zuge der Gründung wurde der Konzern 1994 komplett entschuldet und der Bund übernahm die gesamten Darlehen in Höhe von 66 Milliarden D-Mark (rund 34 Milliarden Euro).

Wo­hin fließen also die Steuergelder und die erwirtschafteten Gewinne? In die Sanierung von Brücken, Bahnhöfen und Gleisen? In den Ausbau des Schienennetzes? Leider nein! Seit der Bahnreform 1994 betrug der Gesamtaufwand in die Eisenbahninfrastruktur im Durchschnitt nur rund 5,3 Milliarden Euro pro Jahr. Geht es nach Bahnchef Rüdiger Grube, wird sich an dieser Entwicklung in den nächsten Jahren auch nichts ändern. In der mittelfristigen Finanzplanung aus dem Jahr 2012 kündigte er laut Handelsblatt an, bis 2017 den Gewinn auf 4 Milliarden Euro steigern zu wollen. Einige Monate später forderte Grube im Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL (04.11.2013) sogar noch zu­sätzliche Milliarden vom Bund: „Angesichts der dramatischen Unterfinanzierung hat die Bahn einen Investitionsstau bei Gleisen, Weichen und Stellwerken von über 30 Milliarden Euro.“ Komme der Bund seinen Forderungen nicht nach, drohen laut Grube zwei verschiedene Szenarien: „Entweder die Qualität der Bahn lässt deutlich nach, es gibt also mehr unpünktliche Züge. Oder wir müssen Strecken sperren.“

Liegt das Problem in der Expansions- bzw. Internationalisierungsstrategie?

Wohin aber fließen die sehr reichlichen nicht ausgeschütteten Gewinne und die staatlichen Subventionen, wenn die Bahn gleichzeitig so sehr über ihre chronische Unterfinanzierung klagt? Ein Blick auf die Mitarbeiterstatistik des Konzerns gibt einen Hinweis darauf, wo das fehlende Geld gelandet sein könnte. Ende 2013 hatte die Bahn rund 300.000 Mitarbeiter, von de­nen rund ein Drittel im Ausland beschäftigt war. Unter dem Namen DB Schenker ist die Deutsche Bahn seit 2007 mit Transport- und Logistikdienstleistungen in mittlerweile 130 Ländern vertreten. So beliefert die Firma beispielsweise Supermärkte in Chile, übernimmt die Logistik für die Oper in Sydney oder für Sportereignisse wie die Segel-WM in Portugal und den Triathlon in Vancouver. Des Weiteren übernahm die Deutsche Bahn im Jahr 2010 für 2,8 Milliarden Euro das britische Unternehmen Arriva PLC. Damit betreibt der Konzern nun nicht nur die roten Doppeldecker in London, son­dern auch der königliche Zug von Queen Elisabeth II. trägt das DB-Logo.

Diese Schritte der inter­nationalen Expansion passen zum aktuellen Konzernleitbild des Unternehmens. Dort heißt es: „Wir werden das weltweit führende Mobilitäts- und Logistikunternehmen.“ Aber ist das wirklich die Aufgabe des Unternehmens oder nutzt dieses nur seine heimische Monopolstellung aus, um zum Global Player oder gar Global Champion aufzusteigen? Ist es der richtige Weg, ein international über den Schienenverkehr hinweg agierendes Unternehmen jedes Jahr mit Steuermitteln in Milliardenhöhe zu subventionieren? Unter anderem mit diesen Fragen beschäftigte sich die Monopolkommission schon im Jahr 2006 und warnte genau vor den oben beschriebenen Szenerien: „[Es] steht zu befürchten, dass zu viele nationale Ressourcen aufgewandt werden, um Marktpositionen aufzubauen, von denen der deutsche Steuerzahler oder der deutsche Bahnkunde nichts hat.“ Zudem nannte sie es „aus deutscher Sicht […] fatal, wenn die Internationalisierungsstrategie der Deutschen Bahn AG zu Lasten der heimischen Infrastruktur oder des letztlich für diese Infrastruktur einstehenden Steuer­zahlers ginge.“ (Die Privatisierung der Deutschen Bahn AG, 2006, Sondergutach­ten der Monopolkommission, Punkt 36, 39).

Fazit

Bedenkt man, dass die Deutsche Bahn ein privatrechtliches Unternehmen ist, erreicht der Konzern genau das, was man von ihm erwartet: Er maximiert seinen Profit und thesauriert seine Gewinne, sodass er expandieren und neue Märkte erschließen kann. Allerdings sollte das nicht das vorrangige Ziel eines ehemals staatlichen Unternehmens sein, das seine gute wirtschaftliche Situation allein einer Finanzierung des Bundes verdankt, die in diesem Umfang kein zweites Unternehmen erhalten hat und so einen klaren Wettbewerbsvorteil genießt. Die Bahn sollte sich zunächst auf ihr Kerngeschäft konzentrieren und einen reibungslosen Ablauf des Schienenverkehrs in Deutschland mit oberster Priorität sicherstellen. An zweiter Stelle könnte dann eine Internationalisierung erfolgen, die dem Unternehmen globalen wirtschaftlichen Erfolg zusichert.

Auch der Baden-Württember­gische Verkehrsminister Winfried Hermann sieht die Aufgabe der Deutschen Bahn bei einem ZDF-Interview in einem „guten, verlässlichen, kundenfreundlichen Schienenverkehr in Deutschland“ und ist der Meinung, das Management habe „gnadenlos versagt, die Deutsche Bahn hat ihr Brot- und Buttergeschäft noch nicht erfolgreich bewältigt.“

Aktuell plant die Deutsche Bahn, den Bahnhof in Trier Ende 2014 vom Fernverkehrsnetzt zu nehmen. Aber vielleicht dürfte es die Menschen dort beruhigen zu erfahren, dass das Unternehmen zurzeit an einer neuen Hochgeschwindigkeitsstrecke baut: zwischen Medina und Mekka in Saudi-Arabien!


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