21 der 28 Mitgliedsländer der Europäischen Union verfügen bereits über Mindestlöhne. Europaweit ist die Notwendigkeit von Mindestlöhnen unumstritten. Seit Anfang des Jahres gibt es auch in Deutschland eine gesetzlich festgelegte Lohnuntergrenze – endlich!
Seit dem 1. Januar 2015 gilt in Deutschland für jede Arbeitskraft der Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde – unabhängig von Qualifikation und Mehrwert für das jeweilige Unternehmen. Durch seine Einführung will die Bundesregierung verhindern, dass einzelne Bürger trotz Vollzeitbeschäftigung nicht von ihrem Einkommen leben können. Bei identischer Stundenzahl und gleichbleibenden Arbeitsverhältnissen soll der Mindestlohn Lohnarmut verhindern und sicherstellen, dass die Menschen von ihrer Arbeit leben können und keine weitere staatliche Unterstützung brauchen. Neben dem Abbau von Sozialbürokratie wird auch der Staatshaushalt entlastet. Die staatlichen Ausgaben werden deutlich verringert, da die Sozialhilfezahlungen zurückgehen werden. Bereits nach wenigen Monaten mit dem neuen Mindestlohn zeigt sich zudem, dass viel weniger Arbeitskräfte ihr Gehalt durch Hartz IV aufstocken müssen. Der Staat wälzt dabei allerdings seine Fürsorgepflicht auf die Unternehmen ab.
Mindestlohn schafft Klarheit
Nach Aussagen von Karl Brenke, vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, kostete die Einführung des Mindestlohns die Unternehmen bisher etwa 9,6 Milliarden Euro. Auf der einen Seite müssen die Firmen diese höheren Ausgaben finanzieren können. Auf der anderen Seite unterbindet der gesetzliche Mindestlohn aber auch eine unfaire Lohnkonkurrenz der Unternehmen und kann somit einen faireren Wettbewerb schaffen. Durch Lohndumping, das zuvor in verschiedenen Branchen und Regionen durchaus nicht unüblich war, konnten sich einige Unternehmen unfaire Wettbewerbsvorteile aus Kosten ihrer eigenen Belegschaften verschaffen. Nicht selten waren sie in der Lage, die Lohnansprüche so zu verschleiern, dass die Arbeitnehmer nicht mehr erkennen konnten, welcher Lohn ihnen eigentlich zugestanden hätte. Der Mindestlohn schafft nun mehr Klarheit für Arbeitnehmer: sie wissen endlich, was ihnen wirklich an Lohn zusteht. Sie sind nicht mehr gezwungen, aus Unwissenheit Jobs anzunehmen, deren Entlohnung unterhalb des Branchenstandards oder des Existenzminimums liegt. Aus Sicht der Arbeitnehmer ist das existenzsichernde Einkommen ein Zeichen des Respektes vor ihrer Arbeitsleistung.
Die Arbeitgeber hingegen beschweren sich über die Kontrollbürokratie, die der neu eingeführte Mindestlohn mit sich bringt. Sie müssen nun genauestens die Arbeitszeiten der Arbeitnehmer notieren, deren Gehalt weniger als 2.958 Euro brutto beträgt. Arbeitgeber beklagen sich über den Mehraufwand, den sie seit der Einführung betreiben müssen. Doch die Aufzeichnungspflicht der genauen Arbeitszeiten ist nichts neues, einzig die Kontrollen haben sich verschärft.
Der Zeitpunkt für die Einführung des Mindestlohnens hätte kaum besser ausgewählt werden können. Die Wirtschaft floriert und in Deutschland gefertigte Produkte sind weltweit gefragt. Viele Unternehmen brauchen daher zusätzliche Mitarbeiter. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) rechnet für 2015 mit einem Zuwachs an Erwerbstätigen von rund 350.000.
Für die Zukunft verspricht die Einführung des Mindestlohns positive wirtschaftliche Auswirkungen. Es kann davon ausgegangen werden, dass der Staat aufgrund steigender Einkommen ein höheres Steueraufkommen erzielen wird. Durch die Lohnerhöhung bei Arbeitnehmern steigen auch ihre Sozialversicherungsabgaben und sie erwerben einen höheren Rentenanspruch. Dadurch reduziert sich voraussichtlich die Finanzierungslücke in unserem Sozialversicherungssystem. Zusätzlich sorgt der Mindestlohn für eine Stabilisierung der Nachfrage am unteren Einkommensende und kurbelt die Konjunktur an.
Ausnahmeregelungen des Mindestlohngesetzes
Für fünf Personengruppen gilt der neue Mindestlohn nur eingeschränkt. Besondere Regelungen sorgen dafür, dass sie nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen vom Mindestlohn profitieren können. So gelten Jugendliche unter 18 Jahren ohne abgeschlossene Berufsausbildung nicht als Arbeitnehmer im Sinne des Gesetzes. Auch Auszubildende, ehrenamtlich Tätige und Langzeitarbeitslose, die länger als ein Jahr ohne Arbeit waren, sind von diesen Sonderregelungen betroffen. Den Letzteren will man so den Wiedereinstieg in das Berufsleben erleichtern. Für sie gilt der gesetzliche Mindestlohn in den ersten sechs Monaten des neuen Beschäftigungsverhältnisses nicht. Dies begründet sich laut CSU-Chef Horst Seehofer darin, dass Langzeitarbeitslose eine Art Brücke benötigen, um sich wieder in den Arbeitsalltag einzufinden. Deshalb “sollten diese Menschen in der Anlernphase zeitlich befristet unterhalb des Mindestlohns bezahlt werden können.” Praktisch spielt diese Ausnahmeregelung laut Erkenntnissen der Bundesagentur für Arbeit allerdings keine Rolle. Holger Schäfer, Arbeitsmarktexperte des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW), überrascht das nicht: “Unternehmen schrecken nach wie vor vor der Einstellung von Langzeitarbeitslosen zurück, weil sie Produktivitätsnachteile fürchten. Daran ändern großzügige Regelungen beim Mindestlohn nichts.” Es ist generell schwieriger für Langezeitarbeitslose wieder in einen Beruf einzusteigen, dies hängt allerdings häufiger mit ihrer Qualifikation und ihrem Alter zusammen, als mit einer angemessenen Bezahlung.
Seit Januar werden auch Praktika wie Arbeitsverhältnisse behandelt. Wer freiwillig länger als drei Monate in einem Unternehmen tätig ist, dem hat der Arbeitgeber den Mindestlohn zu zahlen. Allerdings gilt der Mindestlohn für Studenten, die ein Pflichtpraktikum machen, nicht. Einige Arbeitgeber verzichten inzwischen aus Angst, gegen das neue Gesetz zu verstoßen, gänzlich auf Praktikanten. Der Grund für diese Unsicherheit sind die oft unvollständigen Informationen über die exakten Regelungen des Mindestlohns für die Praktikanten und die extrem hohen Geldbußen bei nicht Einhaltung des Gesetzes. Bei Verstößen gegen das Mindestlohngesetz drohen Arbeitgebern Geldstrafen von bis zu 500.000 Euro.
Die Auswirkungen auf Studierende sind gravierend. Insbesondere für Absolventen von Fächern ohne festen Berufsbezug sind nicht verpflichtend vorgeschriebene Praktika wichtig, um Einblicke in die betriebliche Praxis zu erhalten. Dies zeigt sich darin, dass seit Einführung des Mindestlohns, Studierende mit Pflichtpraktika, wie sie als Praxissemester an Fachhochschulen vorgesehen sind, den Studenten an Universitäten mit freiwilligen Praktika vorgezogen werden. Dies liegt daran, dass sie weniger Kosten verursachen und meist schon eine spezifische Fachrichtung vorweisen können. Dies erschwert den Berufseinstieg für viele (Universitäts-) Studenten ungemein. Auch wurden zahlreiche Stellen gestrichen, da neben der höheren Bezahlung für die Praktikanten auch steigende Lohnnebenkosten auf die Unternehmen zugekommen sind.
Fazit
An einigen Stellen bedarf es noch an Verbesserungen, wie zum Beispiel der Dokumentationspflicht und der genauen Gesetzesregelung für Praktikanten. Dennoch ist die Einführung des Mindestlohns ein erster Schritt in die richtige Richtung.
Die Einführung des Mindestlohns war notwendig, um eine Reduzierung der Ungleichheit der Löhne und Einkommen zu erreichen und somit vielen Arbeitnehmern die Finanzierung ihres Lebensunterhaltes aus eigener Kraft zu erleichtern. Sie fühlen sich neben dem gesteigerten Betriebszugehörigkeitsgefühl auch in der Gesellschaft wieder mehr wertgeschätzt.
Kommentar verfassen