Eine gemeinsame europäische Flüchtlingspolitik ist nötiger denn je! Die Bewältigung des Flüchtlingsstroms kann nur durch enge Kooperation geschafft werden. Wichtige Bestandteile einer gemeinsamen europäischen Politik sollten eine bessere Kontrolle der EU-Außengrenzen und die Implementierung eines europäischen Finanzausgleichs sein.
Der Flüchtlingsstrom in die EU hält ungebrochen an, auch wenn ein Vorankommen auf der Balkanroute zunehmend schwerer wird und die Türkei mehr Flüchtlinge im Lande halten soll. Ein Großteil von ihnen versucht, nach Deutschland oder Schweden zu gelangen, um dort zu bleiben. Da andere Zielländer als weit weniger attraktiv gelten, fällt die Belastung durch die Aufnahme und Unterbringung der Flüchtlinge innerhalb der EU sehr unterschiedlich aus, weshalb gefordert wird, die Flüchtlinge zwischen den mehr oder weniger stark betroffenen Ländern umzuverteilen. Ein früherer Versuch, Verteilungsquoten für eine kleinere Zahl von Flüchtlingen einzuführen, blieb bisher erfolglos.
Damit stellen sich eine Reihe von Fragen: Ist eine Umverteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU überhaupt möglich? Was geschieht, wenn Flüchtlinge sich einer Umverteilung widersetzen? Werden sie dann ausgewiesen und eventuell Verfolgung und Krieg in ihren Heimatländern ausgesetzt? Ein solches Szenario erscheint wenig wahrscheinlich; in jedem Falle wäre es beschämend. Eine Umverteilung der Flüchtlinge innerhalb der EU wäre generell nur durch Kooperationsbereitschaft sowohl auf Seiten der Flüchtlinge als auch der aufzunehmenden Staaten durchsetzbar. Weder auf der einen noch auf der anderen Seite scheint diese gegeben zu sein. Genau deshalb ist bereits die Umverteilungsregel, die im September 2015 durch die EU-Innenminister beschlossen wurde, gescheitert.
Eine Alternative zur Verteilung der Flüchtlinge auf die Mitgliedsstaaten nach einem festen Schlüssel könnte eine bessere Überwachung der EU-Außengrenzen in Verbindung mit einem europäischen Finanzausgleich sein. Auf diese Weise könnten eine Reduzierung der Anzahl der Flüchtlinge innerhalb der EU und eine gerechtere Verteilung der Kosten erzielt werden, ohne dass die Flüchtlinge deshalb anderswo als in ihren Wunschzielländern unterkommen müssten. Ein Verteilungsschlüssel wird hierbei nur gebraucht, um zu ermitteln, wie viele Flüchtlinge jedes Land theoretisch aufnehmen müsste. Länder mit geringerem Zulauf als der Schlüssel vorgibt, müssen sich dann an den zusätzlichen Kosten der besonders attraktiven Länder beteiligen.
Durch die hohen Flüchtlingszahlen und den dadurch wachsenden gesellschaftlichen Druck auf die Politik forcieren einzelne Staaten momentan nationale Lösungen. So werden Binnengrenzen im Schengen-Raum geschlossen und Obergrenzen festgelegt. Diese Maßnahmen bergen jedoch die Gefahr, dass durch Domino-Effekte neue Probleme geschaffen werden. Sie sollten daher nicht das Mittel der Wahl sein, um die Flüchtlingszahlen zu reduzieren.
Dies gilt vor allem deshalb, weil viele der auf nationaler Ebene beschlossenen Maßnahmen die ankommenden Flüchtlinge über einen Kamm scheren, obwohl es große Unterschiede zwischen ihnen gibt, etwa im Hinblick auf die Situation im Herkunftsland. Sinnvoll wäre es daher, den jeweiligen Asylanspruch der Flüchtlinge bereits in den Grenzstaaten der EU zu überprüfen. So könnte die Einreise nicht asylberechtigter Flüchtlinge besser unterbunden und die Zahl der Flüchtlinge in der EU erheblich verringert werden. Mehr als 25 Prozent der in Deutschland gestellten Asylanträge wurden im Jahr 2015 von Flüchtlingen aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten gestellt. Diese Asylanträge gelten als „offensichtlich unbegründet“ und haben nahezu keine Aussicht auf Erfolg, weshalb eine Überprüfung und nachfolgende Abweisung an den EU-Außengrenzen viele der aktuellen innereuropäischen Probleme und Koordinationsschwierigkeiten, insbesondere das Konfliktpotential zwischen den EU-Mitgliedern und Kontrollen an den Binnengrenzen, beheben würden.
Eine solche koordinierte Politik an den EU-Außengrenzen würde die zuständigen Stellen für die Aufnahme von Flüchtlingen in den Mitgliedsstaaten deutlich entlasten, was wiederum zu einer erhöhten Bereitschaft zur Flüchtlingsaufnahme in der Bevölkerung führen dürfte, die zu einem großen Teil aus einem Gefühl der Überforderung heraus zuletzt stark abgesunken ist. Mit einem zusätzlichen europäischen Finanzausgleich würde auch die Belastung besonders beliebter Zielländer der anerkannten Asylbewerber gerechter auf die Mitgliedsländern verteilt werden. Auf diese Weise müssten Staaten, die nicht gewillt sind, Flüchtlinge aufzunehmen und ihnen Asyl zu gewähren, dies auch nicht tun. Zugleich könnten sie sich – zumindest finanziell – nicht der gemeinsamen Verantwortung, in berechtigten Fällen Asyl zu gewähren,
Beitragsbild: “20150904 174“ von Joachim Seidler, photog_at. Lizenz: CC BY 2.0
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