Der Zustand deutscher Autobahnen ist schlecht. Der Bund will sich nun selbst der Baustellen annehmen und eine Infrastrukturgesellschaft gründen. Doch wer genau hinsieht, erkennt die Möglichkeit der Privatisierung der Autobahnen durch die Hintertür.
Marode Brücken, Schlaglöcher und Staus an Langzeit-Baustellen kennen die meisten Autofahrer der Bundesrepublik. Viele deutsche Straßen sind in keinem guten Zustand, auch Autobahnen nicht. Der Bund hätte genug Geld, um in das Straßennetz zu investieren, doch die für die Umsetzung der Maßnahmen zuständigen Bundesländer kommen mit dem Bau und der Sanierung kaum hinterher.
Deshalb plant der Bund, dieses Problem selbst in die Hand zu nehmen. Hierzu soll eine Infrastrukturgesellschaft gegründet werden. Dies bedeutet, dass ein privatrechtlich organisiertes Unternehmen geschaffen wird, dem die Autobahnen gehören. Vorbild hierfür ist die Deutsche Bahn AG, die im Jahr 1994 das staatliche Schienennetz übernommen hat.
Die neue Infrastrukturgesellschaft des Bundes soll zunächst als GmbH firmieren und zu 100 Prozent im Besitz des Bundes bleiben. Doch der Gesetzesentwurf der Bundesregierung geht noch weiter und öffnet die Tür zur teilweisen Privatisierung der Autobahnen.
Tochtergesellschaften, private Beteiligungen, Fremdkapital – all das wird im Gesetzentwurf nicht ausgeschlossen. Ebenso wäre es erlaubt, die Infrastrukturgesellschaft per Regierungsentscheidung in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln. Die Gesellschaft wäre damit unabhängig vom Staat und könnte ohne parlamentarische Kontrolle agieren. Somit läge ein Gemeingut aller Bürger nur noch auf dem Papier in staatlicher Hand, wäre aber de facto in Händen von privaten Investoren.
In der Theorie klingt es plausibel, dass private Investoren die Planung und den Straßenbau schneller und günstiger erledigen können als der Staat. Aufgrund der Wettbewerbssituation sind sie einem größeren Druck ausgesetzt, effizient zu wirtschaften. Doch die Praxis sieht anders aus, wie die Rechnungshöfe von Bund und Ländern immer wieder aufzeigen. Private Unternehmen haben tatsächlich einige Projekte schneller als geplant fertiggestellt, dabei hätten sie jedoch keinesfalls immer die günstigste Lösung gefunden. Im Gegenteil: Staat und Steuerzahler wären häufig günstiger weggekommen, hätte die öffentliche Hand den Auftrag konventionell finanziert.
Generell ist zu befürchten, dass sich Unternehmen in erster Linie für die einfach realisierbaren Vorhaben interessieren, die den meisten Gewinn versprechen. Die teuren, risikobehafteten Aufgaben würde im Endeffekt doch der Staat lösen müssen. Dies bedeutet, dass eine bedarfsgerechte und für den Bürger nützliche Infrastrukturpolitik ohnehin nur mit Hilfe des Staates zu bewerkstelligen ist. Denn eine Reihe zentraler Projekte, die den Bürgern besonders helfen können, sind für private Unternehmen nicht lukrativ genug. Eine Infrastrukturgesellschaft, die vor allem privatwirtschaftlich zu agieren versucht, würde somit auf die Bedürfnisse der Bürger nicht optimal eingehen.
Die Bundesregierung versucht, den Investitionsstau zu umfahren. Das dabei gewählte Mittel einer teilprivatisierten Verkehrsinfrastrukturgesellschaft ist jedoch höchst problematisch und könnte langfristig erhebliche negative Folgen nach sich ziehen. Ohne wirkliche parlamentarische Kontrolle beraubt sich der Staat selbst einer Kernkompetenz. Die Aufgabe des Staates, für eine zuverlässige und belastbare Infrastruktur zu sorgen, könnte scheitern. Dies liegt vor allem daran, dass sich die Anforderungen der Bürger an infrastrukturelle Veränderungen nicht immer mit den marktwirtschaftlichen Interessen vereinbaren lassen: Es handelt sich in diesen Fällen – aller Rhetorik zum Trotz – eben doch um „öffentliche“ Güter im traditionellen Sinne des Wortes. Bei diesen Gütern ist der Staat in der Pflicht, auf seine Bürger einzugehen und die Bereitstellung einer möglichst guten Versorgung zu gewährleisten.
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