Mit Brexit und Trump wurde das Bruttoinlandsprodukt BIP als Indikator für den Wohlstand abgewählt. Die Ökonomen haben es verpasst, rechtzeitig Alternativen anzubieten. Sie müssen nun reagieren, damit die ökonomische Analyse wieder an Bedeutung gewinnt.
Die Ökonomen sehen das Bruttoinlandsprodukt bis heute als den wichtigsten Wohlstandsindikator an. Dies schwächt ihre Stimme in der öffentlichen Debatte, da das BIP und darauf basierende Wachstumszahlen der Bevölkerung nichts mehr bedeuten. So verliert die ökonomische Analyse an Bedeutung.
Zu sehen war dies bei der amerikanischen Präsidentenwahl. Im Wahlkampf waren nahezu alle Ökonomen auf der Seite der Demokraten und ihrer Kandidatin Hillary Clinton. Die Vorschläge von Donald Trump für eine protektionistische Handelspolitik nach dem Motto „America first“ waren aus ihrer Sicht unsinnig. Mit großem Aufwand betriebene ökonomische Analysen sagten ein um einen halben Prozentpunkt niedrigeres Wachstum des BIP im Jahr für den Fall voraus, dass Trumps Handelspolitik umgesetzt wird. Das ist ein Viertel des durchschnittlichen Wachstums der vergangenen Jahre und somit durchaus von Bedeutung. Trump wurde dennoch gewählt.
Ein weiteres Indiz liefert die Abstimmung zum Brexit. Dort plädierte die Großzahl der Ökonomen für einen Verbleib in der Europäischen Union. Sie beschrieben die Folgen eines Brexit anhand des BIP. Auch hier ergaben ihre Analysen einen Verlust von etwa einem halben Prozentpunkt BIP-Wachstum pro Jahr, was für die britische Wirtschaft eine ähnliche große Bedeutung hat wie für die US-amerikanische. Die Bevölkerung entschied sich für den Brexit.
Solange das transatlantische Handelsabkommen TTIP eine Chance hatte, war die Lage in Deutschland ähnlich. Ökonomen rechneten die günstigen Auswirkungen auf das BIP vor. Für TTIP lagen die Schätzungen zwischen einem halben und zwei Prozentpunkten zusätzliches BIP-Wachstum pro Jahr für Deutschland. Die Meinungsumfragen ergaben allerdings zwischenzeitlich mehr als siebzig Prozent Ablehnung von TTIP in Deutschland.
Natürlich spielen bei diesen Abstimmungen viele Faktoren eine Rolle, nicht nur die Ignoranz oder sogar Ablehnung der ökonomischen Analyse. Dennoch ist auffällig, dass sie bei Trump, Brexit und TTIP gegen die ökonomische Logik und die wirtschaftlichen Heilsversprechen ausgefallen sind. Die ökonomische Analyse hat an Bedeutung verloren. Das ist jedoch nicht verwunderlich, da in allen drei Fällen von den Ökonomen mit dem BIP argumentiert wurde. Jene Menschen, die sich in den erwähnten Abstimmungen für die ökonomisch unsinnige Seite entschieden haben, spüren nämlich oftmals gar keinen Zusammenhang zwischen dem BIP und ihrem eigenen Wohlstand.
Die Älteren kennen noch eine Zeit, in der ein wachsendes BIP mit einer Verbesserung ihres eigenen Wohlergehens einherging. Sie sind nun desillusioniert; das BIP ist für sie irrelevant geworden. Die Jüngeren haben nie selbst erlebt, dass das BIP-Wachstum etwas mit ihrem eigenen Wohlstand zu tun hat und verstehen daher schlicht die Argumentation mit dem BIP nicht. Ob dies nur so wahrgenommen wird oder Teile der Bevölkerung tatsächlich vom Wachstum ausgeschlossen sind, ist nicht eindeutig zu ermitteln. Klar ist aber, dass die Ökonomen mit dem BIP als Wohlstandsindikator die Bevölkerung nicht mehr erreichen. Das BIP wurde mit Trump, Brexit und TTIP als Wohlstandsindikator abgewählt.
Die Ökonomen sind nun in der Pflicht, einen Wohlstandsindikator zu entwickeln, in dem sich die Bevölkerung abgebildet sieht. Nur so wird die ökonomische Analyse mit ihren daraus abgeleiteten wirtschaftspolitischen Empfehlungen wieder gehört werden. Den Ökonomen sollte dies ein tatsächliches Anliegen sein, sonst es ihnen immer schwerer fallen, die Relevanz ihrer Wissenschaft zu rechtfertigen.
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