Beim Weltwirtschaftsforum in Davos erhielt Donald Trump viel Lob für seine Steuerreform, die vor allem Großunternehmen und Superreiche entlastet. Die europäische Wirtschaftselite nimmt den sozialen Preis eines aufflammenden Steuersenkungswettbewerbs gerne in Kauf – dabei wollte man beim Gipfel doch eigentlich globale Ungleichheit bekämpfen
„Davos ist wo Milliardäre Millionären erklären, was die Mittelschicht denkt“, so hat der JP Morgan-Chef Jamie Dimon seinen Eindruck vom Weltwirtschaftsforum einmal selbstironisch formuliert. Davos war in diesem Jahr auch der Ort, an dem ein rassistisches und frauenfeindliches Staatsoberhaupt für seine elitäre Wirtschaftspolitik mit Lob überhäuft wurde. Die Rede ist von Donald Trump, dessen 1000-seitige Steuerreform neben Veränderungen in der Einkommensteuerstruktur vor allem eine massive Senkung der Körperschaftsteuer von 35 auf 21 Prozent sowie enorme Steuererleichterungen für extrem reiche Erben vorsieht. Studien belegen, dass allein der Präsident und seine Kongressmitglieder durch die Veränderung der Erbschaftsteuer zusammen rund 3,5 Milliarden Dollar sparen.
Während Trump sich in Davos als Verfechter von „Frieden und Wohlstand für alle“ darstellte, gaben die DAX-Chefs wie der Siemens-Vorstandsvorsitzende Joe Kaeser und der Präsident des Weltwirtschaftsforums Klaus Schwab wenigstens zu, dass vor allem Geschäftsmänner wie sie selbst durch steigende Aktienkurse von der U.S.-Steuerreform profitieren. Was die Vertreter von mehr Wettbewerb und mehr Wachstum verschweigen, ist, dass der Preis für einen kurzfristigen Wirtschaftsaufschwung vor allem von Bürgern mit mittlerem und geringem Einkommen bezahlt wird. Die Amtszeiten der U.S.-Präsidenten Ronald Reagan und George Bush Jr. haben bereits gezeigt, dass ein sogenannter „Trickle-Down-Effekt“, bei dem – der Theorie zufolge – eine Steuerentlastung der Investorenklasse Wohlstandszuwächse bis in die untersten Schichten generiert, eher nicht stattfindet. Sehr wahrscheinlich ist dagegen, dass ein zunehmendes U.S.-Staatsdefizit von mindestens einer Billion Dollar im kommenden Jahrzehnt zu Ausgabenkürzungen in Bereichen wie Bildung, Gesundheit und Sozialhilfe führt, was vor allem finanziell schwächeren Familien schaden wird.
In Davos zeigten sich die Top-Manager ungerührt von den Warnungen ihrer Politiker-Kollegen vor gesellschaftlicher Zersplitterung einerseits und Wirtschaftsnationalismus andererseits. An eine Zusammenarbeit im Sinne eines globalen Wirtschaftsaufschwungs, von dem alle profitieren und nicht ein Land auf Kosten anderer, scheinen sie keinen Gedanken zu verschwenden. Dabei ist die Anzahl europäischer Staaten, unter ihnen Frankreich, Österreich und Norwegen, die nach amerikanischem Vorbild bereits umfangreiche Steuerkürzungen angekündigt haben, vor dem Hintergrund eines zunehmenden Protektionismus äußerst beunruhigend. Anstatt eine gemeinsame europäische Strategie zu verfolgen, kämpft gerade jedes Land für sich selbst. Auch Deutschland, das mit einer Kombination aus Körperschaft- und Gewerbesteuer von knapp 30 Prozent bisher gut im Mittelfeld lag, wird bald in Zugzwang geraten und sich klar positionieren müssen. Doch von einem „Race to the Bottom“, einem aggressiven Steuersenkungswettlauf, sind nicht nur relativ reiche Industrienationen betroffen. Die großen Verlierer sind ärmere Länder, die keine besonderen Standortvorteile wie eine exzellente Forschungsinfrastruktur haben und deren Staathaushalte in viel stärkerem Maße von einer hohen Unternehmensbesteuerung abhängig sind – aus dem einfachen Grund, dass die Besteuerung einer ärmlichen Bevölkerung gar nicht viel einbringen kann. Diese werden so im internationalen Rennen weiter abgehängt.
Auch wenn es beim Abendessen mit Trump, Kaeser und Co. so schien: Der Marktwettbewerb zwischen Unternehmen und der Systemwettbewerb von Staaten, der mithilfe einer aggressiven Steuerpolitik betrieben wird, sind nicht dasselbe. Der Systemwettbewerb ist nicht immer gut für eine Gesellschaft und schon gar nicht für die globale Entwicklung der Ungleichheit. Das Steuer-Transfer-System soll Ungleichheit durch Umverteilung abmildern und nicht verschärfen. Auch Deutschlands Steuersystem begünstigt eine Vermögens- und Machtkonzentration; auch hierzulande liegen sinkende Unternehmenssteuern und die Entlastung hoher Einkommen im Trend, doch dem sollte die neue Bundesregierung widerstehen. Anstatt das globale Steuerdumping noch mehr zu befeuern, sollte sie lieber versuchen, den Wirtschaftsstandort Deutschland auf andere Weise attraktiv zu halten. Wieder mehr in Bildung und Infrastruktur zu investieren, würde nicht nur die Arbeitsmarktchancen breiter Bevölkerungsschichten erhöhen und Umverteilung weniger nötig machen, sondern auch für hiesige Unternehmen einen echten Mehrwert darstellen, der ihre Standortentscheidungen weniger von den Steuersätzen abhängen lässt.
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