Durch sein Comeback in der aktiven Politik stoßen die Ideen von Friedrich Merz auf ein neues, großes Echo. Sein Ideal vom liberalen Staat sieht die Freiheit des Einzelnen als Recht und Pflicht zugleich. Dies gilt auch für die persönliche finanzielle Vorsorge.
Friedrich Merz sorgt regelmäßig für provokante Aussagen, die vor allem die Befürworter eines regulierenden Staates zu kritischen Gegenthesen bewegen. So soll ausgerechnet mehr Kapitalismus zu mehr gesellschaftlicher Gerechtigkeit und Freiheit führen. Ein Affront für jeden, der sich auf die staatliche Fürsorge und eine gesetzliche Rente verlässt.
Betrachtet man Merz’ neueste Aussagen zu mehr privater Vorsorge durch verstärkte Aktienanlagen der Privathaushalte vor dem Hintergrund der tatsächlichen finanziellen Vorsorgestruktur beim Großteil der Bevölkerung, dann wird Merz‘ Vorschlag verständlich. Tatsächlich ist das Spar- und Anlageverhalten der Deutschen erstaunlich einseitig. Der deutsche Sparer bezieht seine Rendite entweder aus seinem selbst bewohnten Eigenheim oder lässt sein Vermögen in Niedrigzinszeiten auf seinem Niedrigzinssparbuch liegen. Die finanziell gebildeteren Bürger vermögen es hingegen, aus einer ausgewogenen Mischung von Aktien, Anleihen und anderen Beteiligungen ihren finanziellen Vorsprung gegenüber den Sparbuchsparern kontinuierlich auszubauen. Dies fördert im schlimmsten Fall das Auseinanderdriften der Gesellschaft durch Ungleichheit.
Doch es gibt gute Nachrichten! Dank neuer Anlageformen wie börsengehandelten Fonds (so genannte ETFs) und anderen innovativen Investmentfonds ist es auch Laien möglich, an den Entwicklungen der globalen Finanzmärkte teilzuhaben. Immer vorausgesetzt, dass die Anleger die Bereitschaft entwickeln, Anlagealternativen zu entdecken und bei der realen Rendite für Eigenheimprojekte mit spitzem Bleistift nachzurechnen. Was scheinbare Renditevorteile sind, entpuppt sich nach der Berücksichtigung der regelmäßig anfallenden Renovierungskosten oftmals als Minusgeschäft.
Für die individuelle Altersvorsorge ist also nicht allein der Staat verantwortlich, sondern zum Großteil die Bürgerinnen und Bürger durch ihre Privatinitiative, die sie auf der Grundlage ihrer selbst erworbenen finanziellen Mündigkeit ergreifen können. Es ist also wichtig, die private Umschichtung von Bar- und Spareinlagen in Richtung Fonds und Aktien zu aktivieren. Ganz so, wie es Friedrich Merz vorschwebt.
Man mag nun anführen, dass nicht jeder und jedem die finanziellen Mittel für ein solches Unterfangen zu Verfügung stehen. Betrachtet man jedoch die Mehrheit der Bevölkerung, dann kann man mit zwei- bis dreistelligen Beträgen im Monat auf Dauer eine Menge bewirken. Für eine Minderheit müsste der Staat dann Aufstockungsleistungen bereithalten, wie es über die Anpassung der Arbeitnehmersparzulage leicht möglich wäre.
Die Konkurrenz auf dem Finanzmarkt macht es möglich, die eigenen Beiträge zu geringen Gebühren anzulegen. Möchte man zudem ethisch fragwürdige Geschäfte verhindern, wenn die Gebühren Finanzdienstleistern wie BlackRock – wo Merz im Aufsichtsrat sitzt, was ihm den Vorwurf eines Interessenkonflikts einbrachte – zufließen, ist dies dank diverser Anbieter möglich. Vor diesem Hintergrund besteht die Aufgabe des Staates bei der Vermögensbildung vor allem darin, den Wettbewerb auf dem Finanzmarkt durch Gesetze zu schützen. Dabei muss er sicherstellen, dass keine Absprachen zwischen den Anbietern stattfinden, mit denen erhöhte Preise durchgesetzt werden können. Es bedarf effektiver marktwirtschaftlicher Spielregeln anstatt gesellschaftlicher Umverteilungsmaßnahmen, die die gesellschaftliche Wohlfahrt nicht erhöhen. Der Sozialstaat sollte seine Aufgabe dann in erster Linie darin sehen, die Bürgerinnen und Bürgern in ihrer Mündigkeit zu unterstützen, und so dabei helfen, dass diese das eigene finanzielle Schicksal in die Hand nehmen. Er muss also die finanzielle Bildung der Bevölkerung fördern.
Falls sich genügend Bürgerinnen und Bürger für den Weg der modernen finanziellen Teilhabe entscheiden, funktioniert das System Merz zumindest in der Theorie. Der Staat muss jedoch sicherstellen, dass sich die Bevölkerung tatsächlich mündig fühlt und selbstständig entscheiden kann. Dies mag ein herausfordernder Weg zu mehr gesellschaftlichem Ausgleich durch finanzielle Unabhängigkeit sein. Richtig umgesetzt steigert er jedoch die gesellschaftliche Wohlfahrt durch die Freiheit und Mündigkeit des Einzelnen.
Beitragsbild: Foto von rawpixel auf Unsplash
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