Rüstungsausgaben in Höhe von zwei Prozent vom Bruttoinlandsprodukt – das ist das rechtlich nicht bindende Rüstungsziel der NATO-Bündnispartner. Auch die Bundesrepublik verspricht, ihre Rüstungsausgaben drastisch zu erhöhen. Anstatt wie derzeit wieder verstärkt aufzurüsten, müsste Deutschland jedoch dringend aktiv für Frieden und Verständigung eintreten – und seine Ressourcen sinnvoller einsetzen!
Was Karl Marx im Jahr 1859 bereits als Unheil bringend bezeichnete, ist in den Bundestagsdebatten bis auf wenige Ausnahmen heute noch die Standardrechtfertigung von Rüstungsausgaben. Hohle Sätze wie „wer ja zur Sicherheit sagt, sagt auch ja zu Frieden und Freiheit“ kommen dabei vor allem aus den konservativen Lagern – genau von dort also, wo sinnvolle staatliche Aktivitäten meist als nicht mit der „schwarzen Null“ vereinbar abgestempelt werden. Der amerikanische Präsident argumentiert mit Verweis auf die Bündnistreue in eine ganz ähnliche Richtung – mit Erfolg: Spricht man den deutschen Michel auf Pflichtbewusstsein und Verantwortung an, scheint ihm vernünftiges und selbstständiges Denken nicht mehr möglich.
Aufrüsten ist wieder „in“ und auch deutsche Waffenproduzenten mischen hier kräftig mit. Rheinmetall, ThyssenKrupp & Co. reiben sich bei militärischen Konflikten die Hände und sind wegen ihrer Beständigkeit und hohen Renditen bei Anlegern sehr beliebt. Das Geschäft boomt. Die deutsche Bundesregierung erteilt derweil ebenso bedenkenlos wie fleißig Ausfuhrgenehmigungen für Waffen und Ausrüstung. Im Nahen Osten bombt seit 2015 beispielsweise Saudi-Arabien unter anderem mit deutscher Waffentechnik den Jemen „zurück in die Steinzeit“ und erzeugte damit die laut UNICEF 2017 „größte humanitäre Krise der Welt“.
Die Beträge sind enorm: Allein die 29 Nato-Länder gaben im Jahr 2018 stolze 963 Milliarden Dollar für das Militär aus. Damit stellt das ursprüngliche „Verteidigungsbündnis“ 53 Prozent des weltweiten Militärbudgets. Deutschland bemüht beim Thema Rüstung seinen zweitgrößten Posten im Haushalt und liegt mit 49,5 Milliarden Dollar jetzt schon auf einem bemerkenswerten achten Rang im internationalen Vergleich. Die Supermacht Russland hat derweil seine Verteidigungsausgaben gesenkt und wurde mit umgerechnet 61,4 Milliarden Dollar unlängst sogar von Frankreich überholt. Bei solchen Zahlen scheint es rätselhaft, wie ominöse „Bedrohungen von außen“ ernsthaft als Rechtfertigung dieser enormen Rüstungsanstrengungen herangezogen werden können. Eher müsste von selbstmörderischen Tendenzen von Staaten ausgegangen werden, sich in irgendeiner Form gegen die NATO-Übermacht aufzulehnen – unwahrscheinlich. Im Gegenteil: Länder mit souveränen Interessen könnten sich durch eine weitere Aufrüstung der NATO-Staaten unter Druck gesetzt fühlen, selbst aufzurüsten. Eine durchaus nachvollziehbare Reaktion angesichts des robusten geopolitischen Verhaltens der USA in der Vergangenheit, die das Völkerrecht und internationale Normen immer wieder eher als „Handlungsempfehlungen denn als verbindliche Grenzen staatlicher Souveränität“ ansahen.
Eine Abkehr von „mehr Rüstung“ ergibt sich auch aus einer möglichen alternativen Verwendung dieser Ressourcen. Ökonomen sprechen hierbei von Opportunitätskosten und stellen den Rüstungsausgaben ein vernichtendes Urteil aus: Kaum neue Arbeitsplätze, wenig zivil einsetzbare Technologien, eine intransparente Vergabe von Aufträgen und allen voran die ineffiziente Nutzung der zur Verfügung gestellten Ressourcen. Statt blind noch mehr Ressourcen unproduktiv zu verschwenden, sollte dabei also zunächst eine Effizienz-Optimierung des Verteidigungssektors angestrebt werden. Dabei eingesparte Ressourcen fänden leicht deutlich sinnstiftendere Verwendungen wie Infrastrukturprojekte, die Entlastung der unteren Einkommensschichten und den Kampf gegen den Klimawandel.
Die deutsche Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hat sich wie ihre Vorgängerin jedoch für eine entschlossene Verfolgung des Zwei-Prozent-Ziels und eine Beibehaltung des bisherigen Kurses ausgesprochen. Abrüstung und Versöhnung im Stile von Willy Brandt und Egon Bahr sind damit auf absehbare Zeit nicht zu erwarten – weitere Konfrontationen und Verschwendung wichtiger Ressourcen die logische Konsequenz. Dabei müsste gerade Deutschland mit seiner historischen Verantwortung ein Zeichen für mehr Diplomatie und Verständigung und gegen unkontrollierbare Waffenexporte, Aufrüstung und Gewalt setzen – nicht nur aus ethisch-humanitären, sondern auch aus ökonomischen Gründen.
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