Hohe Nitratwerte belasten vielerorts in Deutschland das Grundwasser. Die Antwort der Bundesregierung: Eine Neugestaltung der Düngemittelverordnung von 2017. Was zunächst vernünftig klingt, entpuppt sich als lediglich schwacher Reflex auf von der EU verhängte Sanktionen. Warum die verschärfte Verordnung viel zu kurz gedacht ist und es deutlich mehr braucht als eindimensionale Maßnahmen.
Die EU-weite Obergrenze für Nitratwerte im Grundwasser liegt bei 50 Milligramm pro Liter. Ein dauerhaftes Überschreiten des Grenzwerts, wie es in Deutschland gebietsweise der Fall ist, wirkt sich negativ auf das Trinkwasser und die Artenvielfalt aus. Die EU maßregelt Deutschland deshalb mit einer Strafe von rund 850.000 Euro pro Tag. Selbstredend, dass die Regierung die Sanktionen schnell wieder loswerden möchte. Die neu überarbeitete Düngemittelverordnung sieht unter anderem vor, die Sperrzeiten für das Ausfahren von Düngemitteln deutlich zu verlängern, eine strengere Protokollpflicht zu verlangen und neue Auflagen für die Art der Ausbringung von Düngemitteln zu schaffen.
Fehlende Differenzierung
Die Maßnahmen zur Düngemittelregulierung sollen pauschal erfolgen, d.h. unabhängig von den Eigenschaften eines Betriebs, wie etwa der bewirtschafteten Fläche. Dies wird schwerwiegende Strukturbrüche nach sich ziehen, denn für die Landwirtinnen und Landwirte im Allgemeinen bedeutet es letztlich: weniger Ertrag und zusätzliche Kosten bei bestehendem massiven Preiswettbewerb. Ein Alptraum für jeden Betrieb! Ganze Regionen werden in die Pflicht genommen, die von der Grundwasserproblematik überhaupt nicht betroffen sind. Insbesondere kleine und mittlere Landwirte wehren sich zu Recht vehement und protestieren bundesweit. Denn die strengeren Auflagen treffen hauptsächlich jene, die sich die notwendige technische Aufrüstung und den bürokratischen Mehraufwand nicht leisten können. Das führt über kurz oder lang dazu, dass die betroffenen, vor allem kleineren Betriebe aus dem Markt gedrängt werden, während landwirtschaftliche Großgrundbesitzer an Macht gewinnen. Dass wir sauberes Grundwasser brauchen, steht außer Frage – eine differenzierte Behandlung der Landwirte zur Erhaltung von Existenzen allerdings auch!
Das eigentliche Übel liegt viel tiefer begraben
Die Reaktionen auf die neue Düngemittelverordnung sind auch ein Abbild jahrzehntelanger Versäumnisse der Politik, den Agrarsektor vernünftig zu subventionieren. Die Subventionspolitik hat zum Ziel, die Landwirtinnen und Landwirte „fit für den internationalen Wettbewerb zu machen“, so die EU-Kommission. Diese bezuschusst nach Betriebsgröße, nicht aber nach Art des Wirtschaftens. Obwohl der Wunsch nach einer Vereinbarkeit von Landwirtschaft und Umwelt bei vielen Erzeugern besteht, sind diesen weitestgehend die Hände gebunden. Sie können sich unter dem massiven Wettbewerbsdruck nicht um Umweltschutz, Tierwohl, Erhalt der Artenvielfalt und sauberes Trinkwasser gleichzeitig kümmern. Zweckgebundene Zahlungen für Leistungen, die ausreichende Nachhaltigkeitsstandards und hochwertige Produktqualität miteinander verbinden, würden Abhilfe schaffen. Der Druck, auf Effizienz pochen und dabei das Tierwohl hintenan stellen zu müssen, würde deutlich reduziert. Damit wäre auch der Misere mit dem Grundwasser entscheidend entgegengewirkt.
Die Agrarpolitik muss wegkommen von einer Praxis der Symptombehandlung hin zu einem umfassenden, mehrdimensionalen Konzept, das Ursachen im Kern angeht. Eine Möglichkeit könnte etwa ein Gesellschaftsvertrag sein, der die Interessen von Landwirtschaft und Umweltschutz vereint. Denn wie der Bioland-Präsident Jan Plagge bereits sagte: „Nicht was sich rechnet ist richtig, sondern was richtig ist, muss sich rechnen“.
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