Alles (k)eine Frage der Gerechtigkeit

Noch ein knappes halbes Jahr, dann kommt die Grundrente – mit dem Ziel, Lebensleistung zu entlohnen und Altersarmut vorzubeugen. Vielleicht gut gemeint, aber schlecht umgesetzt.

Der Grundrentenkompromiss sieht vor, Altersrentenansprüche unterhalb des Grundsicherungsniveaus ab Anfang 2021 aufzuwerten. Von diesem Vorschlag profitieren diejenigen Rentner, deren Renten nach 35 Beitragsjahren zirka zwischen 350 Euro und 850 Euro liegen. Kostenpunkt: 3,8 bis über 7 Milliarden Euro im ersten Jahr, je nachdem, welchen Berechnungen man glaubt. Doch die hohe zusätzliche finanzielle Belastung ist nicht das einzige Problem: Unter dem Banner der Gerechtigkeit verletzt die Regierung mit diesem Vorstoß grundlegende Prinzipien der deutschen Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV).

Höherer Beitrag = Höhere Rente

Eigentlich orientiert sich die Rentenhöhe am Äquivalenzprinzip. Je höher der insgesamt eingezahlte Beitrag, desto höher die Rente. Auch führt die gleiche Beitragshöhe bisher zu einem gleichen Rentenanspruch. Die exakte Beitragsdauer spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Werden nun 35 Beitragsjahre für die Grundrente vorausgesetzt, folgt daraus ein massiver Bruch dieses Prinzips. Ein Beispiel: Zwei Rentner haben im Laufe ihres Arbeitslebens jeweils 14 Entgeltpunkte erworben und erhalten dafür aktuell 463 Euro monatliche Rente. Allerdings hat Rentnerin A 35 Jahre lang Beiträge geleistet, Rentner B 33 Jahre lang. Durch die Grundrente wird A auf 868 Euro monatlich aufgestockt, B jedoch nicht. Für die gleiche Beitragssumme erhält A nun fast das Doppelte wie B – ein unvermeidbares Resultat, wenn Versicherungsansprüche mit Solidaritätsaspekten verknüpft werden.

Einer muss zahlen!

Die Renten der GRV werden nach dem Umlageverfahren durch die Beiträge der erwerbstätigen Generation finanziert. Doch dieser Generationenvertrag geht bereits heute nicht mehr auf. Im Jahr 2018 musste der Bund rund 75 Milliarden Euro zuzahlen, um die Lücke zwischen Ausgaben und Einnahmen zu schließen. Diese Lage wird sich zukünftig nicht entspannen. Eine zu niedrige Geburtenrate und eine stetig steigende Lebenserwartung führen zu einem doppelten Alterungsprozess. Folglich kommen immer weniger Beitragszahler auf einen Rentner.

Von intergenerationeller Gerechtigkeit ist in der aktuellen Grundrentendebatte trotzdem nichts zu spüren. Der Fokus liegt auf dem Bedarf der heutigen Rentnergeneration. Den finanziellen Lasten – die von der jüngeren Generation getragen werden müssen – wird eine geringere Relevanz zugesprochen. Die Grundrente soll aus Steuermitteln getragen werden und belastet somit nicht direkt die Rentenkasse. Es ist jedoch bedenklich, dass zwei Drittel der Kosten durch die noch nicht eingeführte Finanztransaktionssteuer gestemmt werden sollen. Anstatt wie ursprünglich angedacht, gewagte Börsenspekulationen einzudämmen, sollen nun der Handel mit Aktien großer inländischer Firmen besteuert werden. Dieser Gesetzesvorschlag trifft dann nicht Börsenspekulanten, sondern Privatanleger, die sich durch Aktiensparen beispielsweise eine private Altersvorsorge aufbauen wollen. Die Auswirkungen der Steuer bekommen damit vor allem die jungen Anleger zu spüren: Fallen im Anlagezeitraum immer wieder Kosten, z.B. in Form von Steuern an, schmälert das gerade auf lange Sicht ihren Kapitalstock. So gesehen führt auch die Finanztransaktionssteuer zu einer Umverteilung zwischen den Generationen. Die jüngere Generation verzichtet durch die Steuerzahlung auf einen Teil ihrer privaten Altersvorsorge zugunsten der älteren. Dadurch, dass sie auch Rentenbeiträge zahlen, ist das dann eine finanzielle Doppelbelastung.

Mit der Grundrente Altersarmut vorbeugen? Besser nicht. Sie führt weder bei der Rentnergeneration zu einer gerechten Verteilung noch berücksichtigt sie angemessen die Interessen der Erwerbstätigen. Zielführender und auch gerechter wäre es, Altersarmut zuerst durch die Grundsicherung im Alter abzufedern. Doch stattdessen wird diese im politischen Diskurs weiterhin stigmatisiert und als mögliche Lösung konsequent ausgeschlossen.


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