In Deutschland werden jährlich bei etwa 1.000 Personen Organe nach dem Tod entnommen. Auf der Warteliste für Organempfänger stehen demgegenüber etwa 9.000 Patienten pro Jahr. Der Bedarf übersteigt die Spenden um ein Vielfaches. Gleichzeitig ist die Bereitschaft der Bevölkerung zu einer Organspende so groß wie nie – 84 Prozent stehen einer Organspende grundsätzlich positiv gegenüber. Allerdings haben dies nur 39 Prozent schriftlich dokumentiert.
Es ist ein bisschen so wie mit der privaten Altersvorsorge oder mit dem Internetvertrag, den man doch schon lange gegen einen günstigeren hatte eintauschen wollen: dafür ist ja auch morgen noch Zeit! Genau so scheint es vielen auch mit der Organspende zu gehen. Sich für oder gegen eine Organspende nach dem eigenen Ableben zu entscheiden, ist eine sehr persönliche und oftmals unangenehme Frage – gerade deshalb sollte eine solche Entscheidung wohl überlegt sein. Umso wichtiger aber, dass sie getroffen und dokumentiert wird. Die aktuelle Regelung zur posthumen Organspende – die Entscheidungslösung – fördert diese Auseinandersetzung nicht und verhindert damit dringend benötigte Organspenden.
Denn zentrales Problem bei der Organspende nach dem Tod ist: überhaupt zum Spender zu werden, ist sehr unwahrscheinlich. Voraussetzung für eine Spende nach dem Tod ist, dass die verstorbene Person hirntot ist, also alle Hirnfunktionen unwiderruflich ausgefallen, die Organe aber weiterhin funktionsfähig sind. Da auch das Schmerzempfinden vom Gehirn ausgeht, kann ein hirntoter Mensch keine Schmerzen mehr empfinden.
Leider hält sich die Befürchtung, ein Hirntod könnte fälschlicherweise festgestellt werden, immer noch hartnäckig. Was viele nicht wissen: In Deutschland muss ein Hirntod von zwei Gutachtern unabhängig voneinander diagnostiziert werden und dann jeweils im Abstand von mindestens zwölf Stunden erneut bestätigt werden. Eine Fehldiagnose ist damit praktisch ausgeschlossen. Dass eine Spende dann lediglich an der fehlenden Information über die Bereitschaft zur Organspende des Verstorbenen scheitert, ist tragisch.
Zurzeit ist eine Organspende nach dem Tod nur dann möglich, wenn die verstorbene Person noch zu Lebzeiten zugestimmt hat. Fehlt der schriftliche Wille, werden die Angehörigen befragt und entscheiden. Meist lehnen diese eine Organspende ab. Daran scheitert bislang fast jede zweite potentielle Organspende. Die Einführung einer doppelten Widerspruchslösung würde mehr Klarheit über die Wünsche der Verstorbenen schaffen und Angehörige in ihrer Entscheidung entlasten. Bei dieser Regelung sind alle Bürger potentielle Organspender, haben aber jederzeit die Möglichkeit zu widersprechen. Dies könnte dann – so eine Überlegung – in einem Register dokumentiert werden. Angehörige müssen keine Entscheidung übernehmen, werden aber gefragt, ob ein schriftlicher Widerspruch des Verstorbenen existiert. Es wird also doppelt geprüft, ob ein Widerspruch zur Organspende vorliegt.
Die Entscheidung zur posthumen Organspende sollte privat sein und bleiben; sie sollte nicht vom Staat vorgeschrieben werden. Die doppelte Widerspruchslösung verpflichtet niemanden zur Organspende, sondern lediglich dazu, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Die Entscheidung, ob und auch welche Organe gespendet werden sollen, bleibt davon völlig unberührt. Eine doppelte Widerspruchslösung würde aber mehr Klarheit über die Spendenbereitschaft in der Bevölkerung schaffen. Eine Klarheit, die Leben retten kann!
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