Menschen einsperren kostet viel Geld und macht sie nicht weniger kriminell. Wir sollten es seltener tun.
Im Jahr 2007 beschloss die Schweiz eine Änderung des Strafrechts, an der die dortige Politik seit 1986 gearbeitet hatte. Ein zentraler Aspekt der Reform: für die meisten Vergehen sollte keine Haftstrafe mehr erfolgen. Statt Straftäterinnen und Straftäter auf Staatskosten ins Gefängnis zu stecken, wo sie durch den Kontakt mit anderen Verbrecherinnen und Verbrechern eher noch krimineller werden, sollten die meisten Vergehen mit Geldbußen oder gemeinnütziger Arbeit bestraft werden.
In der Schweiz wird so jetzt mit den meisten Ersttäterinnen und Ersttätern verfahren, die vor der Reform mit Freiheitsstrafen von bis zu zwei Jahren rechnen konnten. In der Praxis sieht das am Beispiel Diebstahl folgendermaßen aus: 2006 erhielten 16 Prozent der in der Schweiz Verurteilten eine Geldstrafe, 84 Prozent eine Haft- oder Bewährungsstrafe. Im Jahr 2017 erhielten 74 Prozent der Verurteilten eine Geldstrafe und nur noch 26 Prozent eine Haft- oder Bewährungsstrafe.
Auch in Deutschland sollen seit der letzten Strafrechtsreform in den 1990er Jahren Haftstrafen unter sechs Monaten vermieden werden. Aber: noch einen Schritt weiter zu gehen und Haftstrafen noch konsequenter zum nur noch allerletzten Mittel des Rechtsstaates zu machen, wäre für alle Beteiligten von Vorteil.
Zunächst ist eine solche Reform finanziell sinnvoll. Menschen einzusperren, kostet Geld. In Deutschland kostet ein Gefängnisaufenthalt den Staat rund 130 Euro am Tag. Im Jahr 2018 saßen rund 23.000 Menschen eine Freiheitsstrafe von unter einem Jahr ab, was den Staat rund eine Milliarde Euro kostete. Anstatt horrende Summen für die Bestrafung dieser Menschen zu bezahlen, wäre es viel sinnvoller, wenn die meisten dieser Menschen ihre Schuld in der Form einer Geldstrafe oder durch gemeinnützige Arbeit tilgten.
Gerade der Einsatz von gemeinnütziger Arbeit als Instrument des Strafrechts sollte dabei in den Vordergrund rücken. Bislang wird diese in erster Linie genutzt, um Menschen, die aus finanziellen Gründen eine Geldstrafe nicht bezahlen können, eine Möglichkeit zu geben, eine Ersatzfreiheitsstrafe zu vermeiden. Das ist auch richtig, denn Menschen lediglich aufgrund von Armut ins Gefängnis zu stecken, wo andere mit höherem Einkommen für die gleiche Tat eine Freiheitsstrafe verhindern können, ist ein Musterbeispiel an Ungerechtigkeit.
Ein Gefängnisaufenthalt bringt Menschen in engen und langfristigen Kontakt mit anderen Straftäterinnen und Straftätern. Sie führt in vielen Fällen zu sozialer Isolierung, dem Verlust des Arbeitsplatzes oder der Wohnung, allesamt Verhältnisse, die zu mehr Kriminalität führen können. Durch die gemeinnützige Arbeit kann das nicht nur verhindert werden, sondern den Betroffenen werden auch Perspektiven aufgezeigt, durch Einbringung, Teilhabe und ein positiveres soziales Umfeld auch nach dem Abbüßen der Strafe neue Wege zu gehen. Im Vergleich mit Straftätern, welche zu einer Haftstrafe verurteilt wurden, ist die Rückfallquote bei solchen, die wegen derselben Tat zu gemeinnütziger Arbeit verurteilt wurden rund ein Drittel niedriger. Selbstverständlich sind in vielen Fällen Haftstrafen weiterhin angebracht. Bei schweren Straftaten, Wiederholungstaten oder einer Gefährdung der Allgemeinheit sind Freiheitsstrafen weiterhin ein unumgängliches Instrument. In vielen anderen Fällen aber kann durch den Verzicht auf Haftstrafen und den breiteren Einsatz gemeinnütziger Arbeit mehr erreicht werden. Sowohl für das Justizsystem und für die Betroffenen als auch für die gesamte Gesellschaft.
Kommentar verfassen