Zu lange zugesehen: Zeit für die Finanztransaktionssteuer

Der so genannte hochfrequente Computerhandel an den Börsen dient allein der Erzielung schneller Gewinne durch Spekulation und hat nur wenig mit der Idee langfristiger Investitionen zu tun. Es ist Zeit, dass diese Gewinne endlich besteuert werden, um dem Hochfrequenzhandel einen gesellschaftlichen Nutzen zu geben.

Für jeden Wocheneinkauf im Supermarkt fällt Mehrwertsteuer an. Auf Wein entfällt noch zusätzlich Alkoholsteuer, für Bier, Kaffee oder Schampus gibt es sogar noch ganz spezielle Steuern. Beim Kauf hochspekulativer Derivate, Zertifikate, synthetischer Swaps oder einem der unzähligen anderen undurchsichtigen Finanzprodukte jedoch bleibt der Kauf absolut steuerfrei. Kein Wunder also, dass sich mit der Entwicklung von computergesteuerter Handelssoftware Firmen darauf spezialisiert haben, kleinste Kursschwankungen auszunutzen, um Wertpapiere millionenfach zu kaufen und sofort wieder zu verkaufen, innerhalb weniger Stunden oder Minuten.

Das bleibt für die Stabilität der Finanzmärkte nicht ohne Konsequenz: der Hochfrequenzhandel verstärkt Kursschwankungen, auch weil die Computer gegenseitig aufeinander reagieren und so künstliche Kursentwicklungen anheizen. In die Röhre gucken alle anderen, die nicht im Sekundentakt jede kleinste Entwicklung der eigenen Wertpapiere überblicken können, also so ziemlich alle. Dennoch machen nach Angabe der Deutschen Börse Hochfrequenzgeschäfte inzwischen rund 25 Prozent des Gesamtvolumens an Handelsgeschäften aus.

Dieser Zustand ist nicht mehr tragbar. Die Börse darf nicht weiter der Wilde Westen unserer Zeit sein. Eine Finanztransaktionssteuer kann nicht nur den entfesselten Hochfrequenzhandel eindämmen. Wenn sie universell auf alle Finanzprodukte und alle Transaktionen angewandt wird, trifft sie vor allem diejenigen, die viel und in großem Stil handeln – und sich die Steuer auch leisten können.

Für Kleinanleger ändert sich hingegen wenig. Die meisten Broker verlangen bereits heute Gebühren für Transaktionen durch Privatpersonen, die weit über dem im Raum stehenden Steuersatz von 0,2 Prozent des Transaktionsvolumens liegen. Erst, wer für mindestens 50.000 Euro Aktien kauft, zahlt überhaupt 100 Euro Finanztransaktionssteuer.

Da die Steuer auf jede einzelne Transaktion erhoben wird, lohnt es sich weniger, viele Transaktionen nacheinander zu tätigen. Auch hier schlägt sich der Effekt erst dann merklich nieder, wenn so viele Käufe und Verkäufe getätigt werden, wie es Normalsterblichen kaum möglich ist. Damit trifft die Steuer präzise den riskanten Hochfrequenzhandel, was mehr langfristige Stabilität und nachhaltigere Kursentwicklungen in die Märkte bringt.

Das Gegenargument, dass eine solche Steuer zu massiver Kapitalflucht und Liquiditätsengpässen bei Unternehmen führen würde ist, kann nicht überzeugen. Allenfalls im Falle nationaler Alleingänge mag es stimmen, denn dann riskieren die Länder der EU einen Steuerwettbewerb, wie er bereits u.a. bei der Kapitalertragsteuer besteht, bei der sich die Länder gegenseitig mit immer niedrigeren Steuern unterbieten, um Unternehmen anzulocken. Genau aus diesem Grunde muss die Finanztransaktionssteuer – wie übrigens die Kapitalertragsteuer eigentlich auch – auf der EU-Ebene eingeführt werden. Eine EU-weite, einheitliche und universelle Steuer garantiert, dass der Weg in den europäischen Kapital- und Absatzmarkt, einem der größten und lukrativsten Binnenmärkte der Welt, nur beim Bezahlen der Steuer möglich ist. Kein Unternehmen der Welt kann es sich leisten, aufgrund einer 0.2-prozentigen Steuer auf den Zugang zum Europäischen Binnenmarkt zu verzichten.

Über die Finanztransaktionssteuer wurde inzwischen genug geredet. Es ist höchste Zeit, dass sie kommt.

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