Global agierende Konzerne verschieben ihre Profite in Steueroasen und nutzen Gesetzeslücken aus, um Steuern zu vermeiden. Gleichzeitig unterbieten sich Staaten weltweit mit immer niedrigeren Steuersätzen, um sich für die Ansiedlung internationaler Großkonzerne attraktiv zu machen. Den Staaten entgehen so Milliarden an Steuereinnahmen. Dies soll eine globale Mindeststeuer unterbinden, welche jedoch noch vor einer zentralen Herausforderung steht.
Unter dem Dach der OECD haben sich aktuell 131 Länder, darunter die G20-Staaten, auf eine globale Steuerreform im Rahmen des so genannten BEPS-Projekts (Base Erosion and Profit Shifting) geeinigt. Diese Reform hat zwei zentrale Säulen.
In der ersten Säule soll das Recht, eine Gewinnsteuer zu erheben, vom Ort der Produktion zumindest teilweise dorthin übertragen werden, wo die Gewinne tatsächlich erzielt werden. Gelten soll diese Regelung für Unternehmen, die einen Jahresgewinn von mindestens 20 Milliarden Euro erzielen. Das soll eine gerechtere internationale Verteilung der Steuern sicherstellen, indem Gewinnsteuern nicht nur in Länder mit besonders vielen Produktionsstandorten anfallen.
Die zweite Säule beinhaltet eine globale Mindestbesteuerung von 15 Prozent auf die Gewinne von Unternehmen mit einem Umsatz von mindestens 750 Millionen Euro im Jahr. Der Abwärtstrend bei den globalen Regelsteuersätzen für Unternehmen soll dadurch gestoppt werden. Bislang war es vor allem für kleinere Staaten attraktiv, mit besonders niedrigen Steuersätzen die Gewinnsteuern anderer Staaten zu unterbieten. Bei diesem sogenannten „race-to-the-bottom“ sind diverse Steueroasen entstanden, die davon leben, dass riesige Gewinne zu ihnen verschoben werden, um sie anderswo der Besteuerung zu entziehen. Aus diesem Grund eröffnet die globale Mindeststeuer auch die Möglichkeit der Nachbesteuerung, falls Unternehmen außerhalb ihres Mutterlandes weniger als den Mindeststeuersatz von 15 Prozent zahlen – etwa in einer Steueroase.
Beschluss zu einem wichtigen Zeitpunkt
Die vereinbarten Regelungen sind erforderlich, um das Steuersystem an das Digitalzeitalter anzupassen und zu modernisieren. Der Zeitpunkt ist gerade rechtzeitig. Rund um den Globus haben Pandemie und Rezession die Staatskassen geleert. Defizitquoten und Schuldenstände erreichen Rekordstände. Währenddessen sind viele Weltkonzerne sehr gut durch die Krise gekommen. Allein der Google-Mutterkonzern Alphabet macht aktuell rund 15 Milliarden Dollar Gewinn – pro Quartal. Dieser Gewinn wird jedoch nur kümmerlich versteuert, weil er nur selten in den Hochsteuerländern, in denen er vor allem entsteht, besteuert wird. Es wäre nur fair, wenn auch die Gewinner der Krise wie Alphabet nun zum Gemeinwohl beitragen und sich an den aktuellen Lasten beteiligen.
Allokative Veränderung
Eine globale Mindeststeuer gilt auch unter Wissenschaftlern als ein effizienzerhöhendes Mittel gegen die aggressiven Steuervermeidungsstrategien von großen, global agierenden Konzernen und gegen das Geschäftsmodell von Steueroasen. Ein zentrales Ergebnis der ökonomischen Fachliteratur zum Steuerwettbewerb ist, dass sich zwar Staaten bei den Steuersätzen unterbieten, jedoch die Unternehmen kaum darauf reagieren. Allein die Angst davor, dass ein Unternehmen abwandern könnte, sorgt bereits für niedrige Steuersätze. Häufig sind diese Steuersätze nicht nur niedrig, sondern „zu niedrig“, um die Bevölkerung mit der optimalen Menge an öffentlichen Gütern, zu denen so wichtige Dinge wie ein funktionierendes Rechts- oder Bildungssystem gehören, zu versorgen. Mit einer Untergrenze von 15 Prozent kann der Steuersatz zumindest nicht mehr in einen Bereich absinken, der für die Gemeinschaft schädlich ist.
Die bevorstehende Herausforderung
Noch entscheidender als die Frage nach den Steuersätzen wird jedoch sein, wie die Steuerbemessungsgrundlage ausgestaltet werden wird. Der globale Mindeststeuersatz funktioniert nur, wenn in allen Ländern die gleiche Steuerbasis, also ein gleich definierter Gewinn unter Berücksichtigung aller Abzugsmöglichkeiten, zur Berechnung des Steuerbetrags angewendet wird. Dieser Steuerbetrag ist – vereinfacht gesagt – das Produkt aus Regelsteuersatz und Bemessungsgrundlage. Ersteres ist eine einzelne Zahl, letzteres zumeist ein hoch komplexes juristisches Regelwerk. Geeinigt hat man sich bisher auf die Zahl, was schon schwierig genug war; was jetzt kommt, ist im Hinblick auf die notwendigen Verhandlungen ein viel größerer Brocken und die ganz große Herausforderung, die es bis zur geplanten Einführung des neuen BEPS-Regelwerks im Jahr 2022 noch zu bewältigen gilt. Ansonsten droht der globale Mindeststeuersatz seine Wirkung zu verfehlen.
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