Das umstrittene Projekt Nord Stream 2 wurde wegen des russischen Krieges gegen die Ukraine von der Bundesregierung auf Eis gelegt. Ein notwendiges und starkes politisches Zeichen in Zeiten der Unruhe. Dennoch schürt es Ängste. Ängste, die mit der Energieversorgung Deutschlands zu tun haben. Ein Weiter so wie bisher kann jedoch nicht die Lösung sein. Im Gegenteil, es ist die Chance, die Energiewende in Deutschland voranzutreiben.
26 Millionen Haushalte sollten durch die Pipeline Nord Stream 2 versorgt werden. Die zuletzt hohen Gaspreise dürften zudem bei einigen dafür gesorgt haben, dass die Pipeline beinahe schon sehnsüchtig erwartet wurde. Hoffnung auf niedrigere Preise durch ein höheres Angebot. Durch die russische Invasion in der Ukraine und die darauffolgenden westlichen Sanktionen inklusive der Stilllegung des Projekts wird es dazu wohl nicht mehr kommen
Trotz der erhofften günstigeren Preise gab es aber auch schon lange eine starke Opposition, die sich gegen die Pipeline stellte. Einerseits sei sie ein geostrategisches Projekt, welches die Stellung Russlands stärke und für eine Abhängigkeit Deutschlands sorge, andererseits widerspreche Nord Stream 2 nahezu allen Zielen des Klimaschutzes. Insbesondere soll das in ihr transportierte Gas jährlich bis zu 100 Millionen Tonnen CO2-Austoß verursachen. Fast doppelt so viel wie die gesamte Schweiz im Jahr 2019.
Befürworter der Pipeline meinen allerdings, dass Erdgas immer noch umweltfreundlicher als die oft kritisierte Kohleenergie sei. Schließlich stoße die Stromproduktion mit Erdgas 40 Prozent weniger CO2 aus als jene mit Kohle. Zudem müsse man immer wieder zeitweise Ausfälle der Stromproduktion von erneuerbaren Energien auffangen, da diese vom tatsächlichen Sonnenschein und ausreichender Windstärke abhängig sind.
Das mag zwar alles sein, dennoch trifft es nicht den Kern des Problems. Drei Viertel des in Deutschland genutzten Erdgases werden im Wärmesektor verbraucht. Und genau dort sollte man ansetzen und könnte dabei einem Vorbild in Europa folgen: Litauen produzierte noch im Jahr 2013 den überwiegenden Teil seiner Fernwärme mit importiertem Erdgas. Inzwischen beträgt der Anteil der erneuerbaren Energien fast 70 Prozent. Das meiste wird aus überschüssiger Biomasse aus der Holzindustrie hergestellt, wobei man sich der Tatsache bewusst ist, dass diese endlich ist und ihrerseits einen CO2-Austoß verursacht. Daher sollen im nächsten Schritt Subventionen für die Biomasse gestrichen und im Gegenzug in Solar- und Wärmepumpen investiert werden. Mag dies alles für sich erstaunlich genug sein, kommt hinzu, dass die Preise durch die Umstellung sogar gesunken sind.
Litauen hat die Transformation anscheinend geschafft. Zwar kann man dies nicht eins zu eins auf Deutschland übertragen, da Litauen die Wende auf einer deutlich kleineren Ebene und mit anderen Voraussetzungen vollzogen hat. Dennoch sieht man am Beispiel des Landes im Baltikum, dass ein solches Vorhaben nicht unmöglich ist. Dass die Pläne einer klimaneutralen Stromversorgung vom deutschen Wirtschaftsministerium auf das Jahr 2035 vorgezogen wurden, spielt der grünen Energiewende in die Karten.
Eine nahezu klimaneutrale Energieproduktion würde die Versorgung Deutschlands mit russischem Erdgas obsolet machen. Insofern könnte man die Loslösung von Nord Stream 2 unter den tragischen Umständen des Krieges eventuell als ein klimapolitisches Geschenk betrachten, da die Politik zum Handeln gezwungen ist. Erste Schritte wurden gemacht, nun sollte dieser Weg auch konsequent fortgesetzt werden, damit die selbst gesetzten Ziele auch erreicht werden. Litauen hat gezeigt, dass es möglich ist.
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