Die Ohnmacht des Einzelnen, das Klima zu schützen

Bei dem schlechten Wetter mit dem Fahrrad fahren? Nee, dann heute ausnahmsweise das Auto. Der Kleiderschrank platzt aus allen Nähten, aber die Hose ist im Sale: Wenn nicht jetzt, wann dann? Klar, Fleisch ist schlecht für die Klimabilanz, aber vegane Soja-Produkte kommen aus dem Regenwald und sind deshalb auch nicht besser, oder?

Jeder von uns hat sich schon, so oder in einer ähnlichen Form, das eigene Handeln schöngeredet. Denn oftmals vergessen wir im Hier und Jetzt den Blick für das Große und Ganze. Doch kleine, alltägliche Ausreden haben große, langfristige Konsequenzen und führen unter anderem dazu, dass wir im Klimaschutz bisher so wenig erreicht haben.

Die oben genannten Beispiele sind auf das sozialpsychologische Phänomen der kognitiven Dissonanz zurückzuführen. Wann immer wir unser Verhalten nicht mit unseren eigenen Werten vereinbaren können, verspüren wir ein unangenehmes Gefühl der inneren Uneinigkeit. Um diese Spannung zu lösen, suchen wir gerne nach Ausreden zur Bereinigung dieses Konflikts.

Kognitive Dissonanz tritt in vielen Alltagssituationen auf und ist auch in Bezug auf nachhaltiges Handeln relevant. Denn nicht selten sprechen wir uns die Eigenverantwortung ab, etwas zum Klimaschutz beitragen zu können. Dabei verhindern wir den inneren Kampf mit unserem Gewissen. Es folgen Aussagen wie: „Viel kann ich als einzelner Mensch nicht ausrichten“ oder „es hat doch eh keinen Sinn mehr“. So machen wir es uns leichter, mit unseren Klimasünden umzugehen.

Bestes Beispiel hierfür ist das Fliegen. Die Klimaschädlichkeit des Fliegens ist mittlerweile in der Gesellschaft bekannt. Durch die entstandenen Emissionen eines Hin- und Rückflugs von Deutschland nach Mallorca schmelzen pro Passagier zwei Quadratmeter Arktiseis. Wer Handlungsbedarf beim Klimaschutz sieht, dürfte nicht leichtsinnig ins Flugzeug steigen. Doch wir machen es trotzdem, nach dem Motto „einmal ist keinmal“, und verharmlosen mit diesem Verhalten die massiven Auswirkungen auf die Umwelt. Aber was können wir daran ändern?

Um schädlichen Reaktionen auf kognitive Dissonanz entgegenzuwirken, müssen wir uns in der Gesellschaft stärker unterstützen.  Das schaffen wir, indem wir uns gegenseitig auf unsere Dissonanzen aufmerksam machen und mehr Bewusstsein für die individuelle Verantwortung schaffen. Beim Thema Plastikkonsum haben wir so schon einiges erreicht. Die öffentliche Aufmerksamkeit ist gestiegen und mit ihr die Popularität von „Zero Waste“-Einkaufsmöglichkeiten und plastikfreien Alternativen im Supermarkt. Leider reicht dieses gesellschaftliche Engagement allein nicht aus, um unseren Planeten zu retten.

Damit wir dies schaffen, brauchen wir weitere Unterstützung, sonst werden wir keine Chance gegen den Klimawandel haben. Mit dem Wissen über unsere Neigung zur ausweichenden Auflösung unserer kognitiven Dissonanzen muss die Politik stärker in Verantwortung treten und klimaschützende Maßnahmen initiieren. Nur so wird es möglich sein, unserer klimaschädlichen Verhaltensweise entgegenzuwirken.

Ein Markteingriff durch die Politik durch eine generelle CO2-Bepreisung ist dabei ein effizientes Mittel, um den Klimaschutz voranzubringen. Stand jetzt sind die ökologischen und sozialen Kosten in den Preisen, die wir Tag für Tag zahlen, nicht vollständig eingeschlossen. Aber nur, wenn diese Kosten vollständig in den Preisen inkludiert sind, tragen wir unsere individuell verursachten Kosten selbst und somit die volle Verantwortung für unser Handeln. Wer zulasten unseres Planeten lebt, muss und wird das im Geldbeutel spüren und das eigene Verhalten ändern. So müssen wir uns nicht allein auf unser Gewissen verlassen. Denn wie wir sehen, funktioniert es nicht ausreichend.

Kommentare

1 Antwort zu „Die Ohnmacht des Einzelnen, das Klima zu schützen

  1. Avatar von Johannes Klopstein
    Johannes Klopstein

    Hallo Anna,

    mir gefällt sehr gut, dass du versuchst, das Verhalten anhand des psychologischen Effekts der kognitiven Dissonanz zu erklären. Dieser induziert tatsächlich das von dir benannte Verhalten, was man so oft beobachtet. Es stellt sich für mich jedoch die Frage, wie es gelingt, die Individuen auf Dissonanzen aufmerksam zu machen und mehr Bewusstsein für die individuelle Verantwortung zu schaffen. Das bestimmte Verhaltensweisen klimaschädlich sind, wissen wahrscheinlich die meisten Personen, aber es scheint so, als ob dieses Wissen nicht ausreicht. Daher folge ich deiner Argumentation, dass dies alleine nicht genügt, der Klimakrise entgegenzuwirken.
    In diesem Kontext wäre die von dir geforderte CO2-Steuer eine mögliche Maßnahme, mit der es gelingt, den CO2-Ausstoß zu reduzieren und ebenfalls die verursachten sozialen Kosten mit in den Preis zu implementieren.
    Ein weiterer Punkt ist, dass im Kontext der Klimakrise teilweise auch der psychologische Effekt der Kontrasttheorie auftritt. Also das Konsumenten bei Unstimmigkeiten in ihrem kognitiven System dazu neigen, diese Unstimmigkeiten noch zu vergrößern. So wird auch oft argumentiert, dass ein bestimmtes Verhalten gar keinen Effekt auf das Klima hat und ein möglicher Zusammenhang vehement abgestritten wird. Gerade für solches Verhalten eignet sich die CO2-Steuer besonders, da diese Personen möglicherweise nicht für Dissonanzreduktion empfänglich sind. Sie würden aber eher auf gestiegene Preise reagieren.

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