Eine politische Wende wurde eingeläutet. Mit dem Einmarsch der russischen Armee in der Ukraine wurde ein Stein ins Rollen gebracht, der unsere Welt verändern wird. Die Europäische Gemeinschaft fühlt sich nicht mehr sicher. Nun reagiert Deutschland und rüstet auf.
Putins Krieg in der Ukraine erschüttert die ganze westliche Welt – auch Deutschland. Schon wenige Tage nach dem Beginn der russischen Invasion hielt der Bundeskanzler Olaf Scholz eine Rede, die die Sicherheits- und Außenpolitik Deutschlands schlagartig veränderte: „[…] angesichts der Zeitenwende, die Putins Aggression bedeutet, lautet unser Maßstab: Was für die Sicherung des Friedens in Europa gebraucht wird, das wird getan.“ Im Klartext bedeutet das ein Aufstocken des jährlichen Budgets auf das NATO-Ziel von 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und 100 Milliarden Euro an Modernisierungskapital für die Bundeswehr. Dafür werden erhebliche neue Schulden aufgenommen.
Gehört die Schuldenbremse damit endgültig der Vergangenheit an? Nein.
Die 100 Milliarden Euro werden hierbei als Sondervermögen verbucht, das heißt, dass zwar neue Schulden aufgenommen werden, doch verstoßen sie nicht gegen die Prämisse der „Schwarzen Null“. Um die Schuldenbremse zu umgehen, soll das Sondervermögen mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit des Bundestages und Bundesrates im Grundgesetz verankert werden und somit parallel zur Schuldenbremse bestehen. Dies würde gleichzeitig den Verwendungszweck sichern, sodass das Kapital tatsächlich nur für die Bundeswehr ausgegeben werden könnte.
Wird das Geld bei der Bundeswehr überhaupt gebraucht? Ja!
Die Bundeswehr befindet sich in einem desolaten Zustand. Ende 2020 schätzte der Bundeswehrverband die Einsatzbereitschaft der Hauptwaffensysteme der Bundeswehr auf maximal 50 Prozent. Von den Hubschraubern sind nur 40 Prozent einsatzfähig und von dem Panzer Leopard 2 nur einer von zehn. Der Mangel betrifft neben Panzern auch Hubschrauber, Schutzausrüstung und Munition. Für die Aufstockung der Munitionslager allein wären laut Expertenmeinung 20 Milliarden Euro notwendig. Das zusätzlich zur Verfügung gestellte Geld soll nun Abhilfe schaffen.
Ist Geld ausreichend? Nein.
Geld allein reicht nicht. Es sind weitreichendere Probleme in der Struktur der Bundeswehr, die eine effiziente Verteilung der bisher fließenden Gelder erheblich erschweren – das Phänomen der „Goldrand-Lösung“, bei dem nur das Beste vom Besten gekauft wird. Oftmals werden bei einer Bestellung vermeintlich kleine Verbesserungen an einem bestehenden technischen Gerät gefordert. Diese kleinen Verbesserungen entpuppen sich jedoch schnell als eine hochkomplexe Angelegenheit, die zu Verzögerungen bei Lieferungen und starken Preissteigerungen führen. Was die Bundeswehr bestellt, wird somit deutlich teurer als ursprünglich geplant und steht viel später zur Verfügung. Das bereitgestellte Kapital muss daher durch ein funktionierendes Beschaffungswesen ergänzt werden, sonst bringen die 100 Milliarden nicht viel.
Wie sieht die Zukunft der Bundeswehr aus? Ungewiss.
Neben den 100 Milliarden sollen langfristig jährlich 2 Prozent des BIP als Militärausgaben aufgewendet werden. Aus derartigen Ausgaben entstehen weitreichendere gesellschaftliche Fragen als nur eine kurzfristige Reaktion auf die russische Aggression. Ein europa- oder sogar weltweites Aufrüsten der Großmächte weckt Erinnerungen an das Wettrüsten im Kalten Krieg. Hierbei gilt es jedoch zu bedenken, dass ein Angriffskrieg Russlands gegen ein NATO-Mitglied alles andere als gewiss ist. Ist also die neue deutsche Aufrüstung lediglich gegen Russland gerichtet? Wird die Bundeswehr global aktiver eingreifen? Welche Aufgaben soll die Bundeswehr der Zukunft übernehmen? Fragen, die im gesellschaftlichen Diskurs und der Krisenlage zurückbleiben.
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