Das Ziel der Bundesregierung ist klar und ambitioniert: Treibhausgasneutralität bis 2050. Durch die Einführung eines nationalen Emissionshandels im vergangenen Jahr möchte Deutschland Verantwortung für den weltweiten Klimawandel übernehmen und die Emissionen senken. Der politische Weg dorthin erweist sich als eine Gratwanderung zwischen Klimaschutz und Sozialverträglichkeit.
Die deutschen Haushalte mussten im Jahr 2021 im Vergleich zum Vorjahr durchschnittlich 35 Prozent mehr für Energie ausgeben. Grund dafür war unter anderem die Einführung eines nationalen Emissionshandels. Diese klimapolitische Maßnahme ergänzt den europäischen Emissionshandel in den treibhausgasintensiven Sektoren Wärme und Verkehr. Ein CO2-Preis soll Verursacher von Treibhausgasen dazu bewegen, den Verbrauch fossiler Brennstoffe zu reduzieren, da anderenfalls hohe Kosten anfallen. Der Einstiegspreis von 25 Euro pro Tonne CO2 soll schrittweise angehoben werden. Die steigenden Emissionspreise machen somit einen Umstieg auf klimafreundlichere Energieformen finanziell attraktiver.
Dieses marktbasierte Instrument hält zwar die volkswirtschaftlichen Kosten gering und als Teil des Anreizmechanismus ist auch der Preisanstieg umweltpolitisch gewollt, jedoch rückt zunehmend die Frage einer sozialgerechten Klimapolitik in den Vordergrund. Dies ist auch aktuell der Fall, da steigende Energiekosten aufgrund des Kriegs in der Ukraine insbesondere niedrigere Einkommen stärker belasten.
Besonders stark wirken sich Emissionshandel und Ukraine-Krieg auf den Gebäudesektor aus: dort entstehen knapp 15 Prozent der Emissionen. Aufgrund des knappen Wohnungsmarktes ist eine Überwälzung des CO2-Preises auf die Mieter fast vollständig möglich. Diese spürbare Belastung fällt bei geringverdienenden Haushalten höher aus und verursacht somit eine soziale Schieflage, welche zwangsläufig eine Gerechtigkeitsdebatte entfacht.
Verursacher der Belastungsunterschiede ist der einkommensunabhängige Verbrauch der Grundbedürfnisse Heizen und Warmwasser. Geringverdienende Haushalte werden daher stärker durch die CO2-Bepreisung belastet, da sie einen vergleichsweise größeren Teil ihres Einkommens für Energiekosten aufwenden müssen. Fest steht: hier ist ein sozialpolitischer Ausgleich notwendig. Doch gelingt es der Politik, hier zielgerichtet zu handeln und gleichzeitig die umweltpolitische Lenkungswirkung nicht aus dem Blick zu verlieren?
Staatliche Fördermaßnahmen wie Zuschüsse zur energetischen Sanierung oder Kaufprämien für Elektroautos entlasten einkommensstarke Haushalte stärker als einkommensschwache und können soziale Ungleichheiten daher nicht ausgleichen. Um die Lenkungswirkung über den Preis zu erhalten, sollte eine Entlastung der Bürger unter Verwendung der Einnahmen der CO2-Bepreisung, wie bei Senkung der EEG-Umlage, verbrauchsunabhängig gestaltet werden. Ziel der EEG-Umlage ist die Entlastung aller Stromkunden. Diese ist umweltpolitisch jedoch nur sinnvoll, wenn gleichzeitig der Anteil erneuerbarer Energien am Strommix steigt.
Aus volkswirtschaftlicher Sicht ließen sich die umweltpolitische Lenkungswirkung sowie die angestrebten Klimaziele durch einen stärkeren Preisanstieg wesentlich schneller erreichen. Veranschaulicht wird diese Wirkung durch die Entwicklung der Benzin-Nachfrage in den ersten Wochen des Kriegs in der Ukraine: Der Kraftstoffverbrauch sank um 11,5 Prozent, da die Preise das Vorjahresniveau für Superbenzin um 42 Prozent und für Diesel um 63 Prozent überstiegen.
Unabhängig von dieser Sonderentwicklung forderten Experten den Einstiegspreis von 25 Euro pro Tonne um mehr als 600 Prozent zu erhöhen, um die angestrebten Klimaziele zu erreichen. Mit zunehmendem Preis wächst auch die Belastungsungleichheit innerhalb der Bevölkerung und gleichzeitig der Unmut darüber. Wie die Gelbwestenproteste in Frankreich im Jahr 2018 gezeigt haben, sind umweltpolitische Maßnahmen im Rahmen des Pariser Klimaabkommens dadurch kaum durchsetzbar. Mehrbelastungen werden als unfair empfunden und verursachen lautstarke Proteste.
Bei dieser politischen Gratwanderung ist daher zielgerichtetes Handeln wichtig: es bedarf einer sozialpolitischen Kompensation zur Entlastung der unteren Einkommensgruppen, durch welche die umweltpolitische Lenkungswirkung dennoch erreicht werden kann. Da der Krieg in der Ukraine hoffentlich nur von kurzer Dauer sein wird, sind mittelfristig sinkende Energiepreise zu erwarten und weitere umfangreiche Maßnahmen sind nötig, um ein gesellschaftliches Umdenken hin zu klimafreundlicherem Verhalten zu fördern. Denn: Klimapolitik gibt es nicht zum Nulltarif, ohne Einschränkungen ist eine Verhaltensänderung nur schwer zu erreichen.
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