Der globale wirtschaftliche Machtkampf beginnt. Die aufstrebende Weltmacht China stellt seit dem Jahr 2013 Milliardenbeträge zur Verfügung, um ihren geopolitischen Einfluss systematisch auszubauen. Nun bringt die EU den Gegenentwurf: Die 300-Milliarden-Euro-Inititative „Global Gateway“. Doch kann sich diese Initiative Chinas Machtstreben tatsächlich entgegenstellen?
Chinas Neue Seidenstraße
Das tatsächliche Volumen von Chinas weltweitem Infrastrukturprojekt, der Neuen Seidenstraße, kann nur geschätzt werden. Experten gehen davon aus, dass bis zum Jahr 2027 Investitionsmittel in Höhe von einer Billion Dollar fließen werden. Mit den chinesischen Investitionsgeldern werden unter anderem Straßen, Häfen und Kraftwerke gebaut. Selbstlose Großzügigkeit? Wohl kaum. Knebelnde Handels- und Investitionsverpflichtungen treiben gerade ärmere Länder in die Schuldenfalle. Aus demokratischer Sicht ist dies problematisch: Die Länder geraten immer weiter in die Abhängigkeit von der autokratisch regierten Volksrepublik mit der Konsequenz, dass globale Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzungen billigend in Kauf genommen werden.
Europas Antwort
Die EU, die sich gerne als die Verteidigerin der Menschenrechte sieht, findet nun endlich die Sprache wieder. Die Europäische Antwort wiegt dabei 300 Milliarden Euro schwer. In den nächsten sechs Jahren sollen Investitionen in die Infrastruktur von Schwellen- und Entwicklungsländern mobilisiert werden. Die Global Gateway Initiative hat hierbei die Chance, eine grundlegende Neuausrichtung europäischer Entwicklungspolitik anzustoßen. Endlich! Zu lange schaute Europa dem autoritären China zu, ohne in einen Wettbewerb mit dem Land zu treten. Nun soll die Initiative laut Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen „eine echte Alternative“ zur Neuen Seidenstraße darstellen.
Nachhaltige Investitionen mit hohen Standards
Es ist höchste Zeit für Europa, geopolitisch einzugreifen und demokratische Werte, die Menschenrechte sowie den Umweltschutz in den Mittelpunkt zu rücken. Milliarden sollen in die Bereiche Verkehr, Digitales, Gesundheit und Bildung fließen und Projekte wie beispielsweise Unterwasserkabelverbindungen oder die Energieerzeugung durch klimaneutralen Wasserstoff fördern. Wirtschaftlich wiederum profitieren europäische Unternehmen unter Einhaltung hoher ethischer Standards – hoffentlich. Die Global Gateway Initiative mag ein guter Schachzug im Systemkampf mit China sein. Jedoch sollte die EU aufpassen, dass machtpolitische Erwägungen nicht als unbegrenzte Rechtfertigung für Investitionen in menschenrechtsverletzende Regime in den zu entwickelnden Ländern dienen.
Finanzierungsplan
Kritische Stimmen äußern zudem Zweifel an der geplanten Finanzierung. So sind von den 300 Milliarden Euro nur 18 Milliarden als direkte Zuschüsse aus dem europäischen Entwicklungsbudget geplant, während die restlichen 282 Milliarden Euro noch zu mobilisieren sind. Das Schlüsselwort hier lautet „mobilisieren“. So stehen die Gelder der EU nicht direkt zur Verfügung, sondern sollen durch Garantien den privaten Sektor anspornen, selbst zu investieren. Damit sei laut dem Europaabgeordnetem Markus Ferber „noch gar nicht klar […], ob es tatsächlich 300 Milliarden für den Global Gateway geben wird“.
Reicht das?
Selbst wenn diese Summe bis 2027 zusammenkommt, ist die Reichweite Europas schlicht unzureichend. Im Vergleich zum angestrebten Investitionsvolumen Pekings sehen die europäischen Investitionen verschwindend gering aus.
Neben der finanziellen besteht die bürokratische Befürchtung vor „einem Regelkorsett, das rasches, effektives Auftreten auf der globalen Bühne verhindert“. Die Europäische Union hat sich hohe, ehrbare Ziele gesteckt, sollte die Umsetzung jedoch nicht aus den Augen verlieren.
Alternativlos
Trotz aller Kritik stellt die Global Gateway Initiative einen Anfang dar. Nun muss es zur schnellen und konkreten Umsetzung von Projekten kommen sowie einen Ausbau und eine Sicherung der Finanzierung geben. Die Frage ist nicht, ob die Global Gateway Initiative eine gute Idee ist, sondern wie sie ausgestaltet werden sollte. Denn ein demokratischer Gegenpol Europas zu Chinas wachsendem Machteinfluss ist schlichtweg alternativlos.
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