Zu schön, um wahr zu sein? – Unsere neuen Freiheitsenergien

Angesichts der energiepolitischen Verwerfungen durch den Ukraine-Krieg werden erneuerbare Energien als Ausweg aus schmerzhaften Abhängigkeiten präsentiert. Kriegen wir zum Klimaschutz die energiepolitische Unabhängigkeit also gratis dazu? Ganz so einfach ist es nicht! 

Ein 100-jähriger Albtraum

Die Entscheidung des damaligen Verteidigungsministers Winston Churchill, 1913 den Antrieb der britischen Marine von Kohle auf Öl umzurüsten, wird oft als Beginn der modernen Energiepolitik gesehen. Mit der Umstellung von walisischer Kohle auf ausländisches Öl begab sich das British Empire in eine Abhängigkeit, die für das folgende Jahrhundert und darüber hinaus prägend sein sollte. Ob während der Ölkrisen der 1970er und 1980er Jahre oder der aktuellen Gaskrise im Kontext des Ukrainekrieges: Die Abhängigkeit von fossilen Energielieferungen führt immer wieder zu Problemen.

Doch ein Ende des 100-jährigen Albtraums scheint in Sicht: Wind-, Solar und Wasserkraft sind in nahezu jedem Land in ausreichender Menge vorhanden. Politiker wie Christian Lindner und Karl Lauterbach oder die Klimaökonomin Claudia Kemfert vom DIW Berlin sprechen bei den Erneuerbaren daher schon von Freiheitsenergien. Doch auch Windräder und Photovoltaikanlagen brauchen, um effizient arbeiten zu können, Rohstoffe aus dem Ausland.

Chinesischer Vorteil

Da wäre zum Beispiel das Element Lithium. Das Alkalimetall ermöglicht den Bau besonders langlebiger und effizienter Batterien. Ohne diese Energiespeicher wäre die Elektrifizierung des Individualverkehrs oder das Ausgleichen der Schwankungen von Wind und Sonne kaum vorstellbar. Problematisch ist allerdings, dass sich mehr als 75 Prozent der globalen Lithiumvorkommen auf nur drei Länder – Chile, Argentinien und Australien – verteilen. Noch beunruhigender ist, dass bereits 60 Prozent der globalen Lithiumressourcen unter der Kontrolle oder dem Einfluss chinesischer Firmen stehen. Mit einem Bedarf, der global bis 2050 im Vergleich zu 2020 um 2000 Prozent ansteigen soll, könnte Lithium der neue Flaschenhals der Energieversorgung werden.

Während Lithium zu höheren Preisen zum Beispiel in der Rheinebene oder in Serbien gefördert werden könnte und die Recyclingquoten stetig steigen, sieht es im Fall der sogenannten Seltenen Erden anders aus. Anders als ihr Name vermuten lässt, kommen diese zwar überall auf der Welt vor, doch nur selten in solchen Konzentrationen, bei denen sich der industrielle Abbau lohnt. Seltene Erden werden als „Gewürzmetalle“, also in kleinsten Mengen, unter anderem in Windkraft– und Solaranlagen verbaut, um diese effizienter zu machen. Das Problem hier: China ist bei mindestens zehn der 17 Elemente der wichtigste Produzent und Verarbeiter weltweit, wobei manche Erden in einer für den Abbau ausreichend hohen Konzentration fast ausschließlich in der Volksrepublik vorkommen.

Ausweg oder Träumerei?

Die Liste der benötigten Metalle und Erze ließe sich noch weiter fortführen.  Ein Argument gegen die Energiewende ist diese Liste freilich nicht. Die meisten Elemente kommen – zumindest in niedriger Konzentration – nahezu überall auf der Welt vor. Durch Innovationen in der Gewinnung, neue Substitutionsmöglichkeiten und Recycling wird der globale Bedarf gedeckt werden können. Allerdings können Abhängigkeiten auch bei ausreichend vorhandenen Vorkommen entstehen. Dann nämlich, wenn große Marktmacht es Akteuren erlaubt, das Angebot zu bestimmen und künstlich zu verknappen. Europäische Politiker wären also gut beraten, die Lage auf den weltweiten Rohstoffmärkten in den Blick zu nehmen und der chinesischen Vormachtstellung entgegenzutreten, sonst könnte der Traum von der energiepolitischen Unabhängigkeit schneller platzen als den Europäern lieb ist.


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