Einmal noch „schnell“ runtergescrollt und etwas Interessantes gelesen und schon wieder ist eine Stunde vergangen. Die umfangreiche Nutzung sozialer Medien ist für viele Menschen Alltag. Gleichzeitig haben sie negative Auswirkungen sowohl für den Einzelnen als auch die Gesellschaft.
Ein Rauschmittel unserer modernen Zeit
Wissenschaftliche Untersuchungen geben Anlass zur Sorge. Durch die Nutzung sozialer Medien bestehe ein höheres Risiko, an Depressionen oder Angststörungen zu erkranken oder diese zu verstärken. Ein besonderer Risikofaktor sei dabei die Nutzungszeit: Verbringen Nutzer weniger Zeit auf sozialen Medien, gehen ihre psychischen Erkrankungssymptome zurück. Auf der gesellschaftlichen Ebene werden soziale Medien sogar als ein Risikofaktor für eine stärkere politische Polarisierung genannt.
Spätestens wenn Verantwortliche wie Facebook-Mitbegründer Sean Parker öffentlich äußern, ihnen sei das Abhängigkeitspotential sozialer Medien bewusst und sie hätten keine Accounts dort, sollte dies aufhorchen lassen.
Eine Nutzungssteuer als Ansatz zur Regulierung
Es besteht also Handlungsbedarf. Wünschenswert wäre eine geringere Nutzung sozialer Medien durch den Einzelnen. Dabei stellt sich die Frage: Welche Maßnahmen wären dafür geeignet, ohne Freiheitsrechte zu stark zu beschneiden?
Denken wir etwas um die Ecke: Wie wäre es mit einer speziellen Steuer für die Benutzung von sozialen Medien – ähnlich wie die bereits erhobenen Zusatzsteuern auf Alkohol und Nikotin? Bei diesen Steuern handelt es sich um sogenannte „Lenkungssteuern“. Durch eine künstliche Verteuerung von Alkohol und Zigaretten sollen Verbraucher zu einem bestimmten Verhalten „gelenkt“ werden.
Der Konsum dieser Rauschmittel verursacht sogenannte „negative Externalitäten“ Damit sind unerwünschte Effekte eines Produkts oder einer Aktivität auf Andere gemeint, für die der Verursacher zunächst keine Kompensation zahlen muss. Leidtragender kann der von der ewigen Handynutzung genervte Partner genauso sein wie ein durch zusätzliche psychologische Behandlungen belastetes Gesundheitssystem. Eine Lenkungssteuer hat die Aufgabe, diese Externalitäten zu „internalisieren“: Für die Nutzung sozialer Medien und daraus resultierende negative Effekte muss nun ein spürbar höherer Preis gezahlt werden.
Wie könnte eine solche Steuer für soziale Medien aussehen? Etwa so: Nutzer von Portalen wie beispielsweise TikTok, Twitter oder Instagram müssen bei der Erstellung eines Accounts ein Abonnement vergleichbar mit Netflix oder Amazon Prime abschließen. Am Monatsende wird eine Nutzungsgebühr erhoben, wobei hier ein bestimmter Steuersatz pro auf der Homepage verbrachter Minute erhoben wird. Ähnlich wie der Einkommenssteuertarif könnte dieser Satz ab einer bestimmten Nutzungszeit proportional immer weiter ansteigen.
Eine Reduzierung der Nutzungszeit könnte theoretisch auch durch ein Verbot oder ein vorgegebenes Zeitlimit erreicht werden. Doch eine solche Maßnahme würde die persönliche Freiheit des Einzelnen viel stärker einschränken und unterschiedlichen Präferenzen außer Acht lassen. Eine Lenkungssteuer hat hingegen den Vorteil, allein durch veränderte Anreize ein wünschenswerteres Konsumniveau herbeizuführen. Studien zeigen, dass durch solche Steuern beispielsweise der Konsum von Nikotin in vielen Ländern deutlich zurückgegangen ist.
Befürworter müssen überzeugen können
Eine offensichtliche Frage ist natürlich, warum die Wähler eine solche – momentan wahrscheinlich noch unpopuläre – Maßnahme unterstützen sollten? Doch auch eine Minderheit kann es schaffen, dass ihre Forderungen nach und nach populärer werden, wenn sie gute Aufklärungsarbeit leistet und argumentativ überzeugt. So sind nach anfänglicher Skepsis beispielsweise Rauchverbote in vielen Ländern inzwischen selbstverständlich geworden. Und wie Umfragen aus den USA und Deutschland nahelegen, entsteht bezüglich der negativen Auswirkungen sozialer Medien langsam aber sicher mehr Problembewusstsein.
Der Vergleich von sozialen Medien mit Rauschmitteln wirkt radikal? Und eine solche Steuer wäre politisch schwer umsetzbar? Mag alles sein. Sind die Überlegungen deswegen falsch? Das Problem mit bereits existierenden Lösungen auf freiwilliger Basis zur Verringerung der Nutzungszeit ist, dass sie leicht umgangen werden können und ihnen damit oft die Durchschlagskraft fehlt.
Menschen ändern ihr Verhalten oftmals erst, wenn sie für eine schädliche Aktivität – hier im wahrsten Sinne des Wortes – einen Preis zahlen. Seien wir also mutig und besteuern wir die Nutzung sozialer Medien!
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