Mehr als 18 Millionen Tonnen Nahrungsmittel pro Jahr landen in Deutschland auf dem Müll. Es ist an der Zeit, den Verbrauchern aufzuzeigen, welche Vorteile sich durch eine geringere Lebensmittelverschwendung für die Gesellschaft und sie selbst ergeben. Hierbei stellt sich die Frage: welche Maßnahmen helfen wirklich?
Das Bestreben, mit wertvollen und knappen Ressourcen, die bei der Lebensmittelherstellung beansprucht werden, effizient umzugehen, stellt uns alle vor eine riesige Herausforderung. In Deutschlands privaten Haushalten werden pro Kopf im Jahr rund 75 Kilogramm Lebensmittel weggeschmissen. Das entspricht einem Warenwert von 300 Euro. In einer vierköpfigen Familie landen also knapp 1.200 Euro jährlich in der Tonne. Im Zuge einer Forsa-Umfrage schätzten mehr als 70 Prozent der Teilnehmenden ihre monetären Verluste jedoch deutlich geringer ein. Ein Grund dafür liegt darin, dass viele Verbraucher nicht bewusst wahrnehmen, dass sie nicht nur ihre Lebensmittel, sondern buchstäblich auch ihr Geld auf den Müll schmeißen.
Darüber hinaus wissen zahlreiche Konsumenten nicht, dass bei Lebensmittelverfallsdaten ein erheblicher Unterschied zwischen den Begrifflichkeiten ‘mindestens haltbar bis‘ und ‘verbrauchen bis‘ besteht. Der zweite Ausdruck befindet sich auf leicht verderblichen pflanzlichen oder tierischen Lebensmitteln, bei denen nach dem Verfallstag die Lebensmittelsicherheit nicht mehr gewährleistet ist. Anders beim Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD): hierbei handelt es sich um eine Qualitätsgarantie des Herstellers. So kann zum Beispiel ein abgelaufener Joghurt nach Überschreitung des Mindesthaltbarkeitsdatums auch bei geringfügiger Veränderung von Konsistenz, Beschaffenheit und Nährwerten einwandfrei zum Verzehr geeignet sein.
In Frankreich werden mit 30 Kilogramm pro Person und Jahr deutlich weniger Nahrungsmittel verschwendet – woran liegt das? Seit dem Jahr 2016 gilt in Frankreich ein offizielles Wegwerfverbot, welches Supermärkte dazu verpflichtet, Lebensmittel zu spenden, bevor diese im Müll landen. Diese Maßnahme erregte viel Aufmerksamkeit unter den Verbrauchern und hatte eine Verringerung der Lebensmittelverschwendung in den privaten Haushalten zur Folge. Auch werden Kinder und Jugendliche in Frankreich inzwischen durch spezielle Lehrangebote in Kindergärten und Schulen mit dem Problem der Lebensmittelverschwendung konfrontiert. Auch das französische Umweltministerium ermutigt die Verbraucher, nach dem Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums noch genießbare Lebensmittel zu konsumieren. Es wird zudem gezielt darüber informiert, welche Ersparnisse durch planvolle Einkäufe und korrekte Lagerung der Lebensmittel möglich sind.
Der unwirtschaftliche Umgang mit knappen Ressourcen und schließlich auch dem privaten Haushaltsbudget führt zu Wohlfahrtsverlusten. Die Bundesregierung ist hier in der Verantwortung, die nötigen Hebel in Bewegung zu setzen, um für mehr Transparenz und Bewusstsein zu sorgen, denn weder die Anbieter noch die Konsumenten schaffen es allein, sich wirtschaftlich vernünftig zu verhalten. Zweckgerichtete staatliche Informationskampagnen könnten die mentale Verbindung zwischen Lebensmitteln und Ausgaben wieder herstellen und somit Verbrauchern persönliche und gesellschaftliche Vorteile der gesunkenen Lebensmittelverschwendung näherbringen. Bezogen auf das Mindesthaltbarkeitsdatum könnte eine einheitliche Kennzeichnung der Nahrungsmittel bis zum tatsächlichen Verfallsdatum Klarheit schaffen.
Mit der „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“ hat sich Deutschland zum Ziel gesetzt, die Lebensmittelverschwendung auf Verbraucher- sowie Einzelhandelsebene bis zum Jahr 2030 zu halbieren. Lebensmittelunternehmen sind dazu angehalten, Mitarbeiter sowie Kunden auf die Problematik aufmerksam zu machen und bei der Informationsverbreitung zu unterstützen. Schulen und Kitas sollen spezifische Bildungsunterlagen integrieren. Ein Schritt in die richtige Richtung? Definitiv! Jedoch wäre ein notwendiger weiterer Schritt, einen Teil der Freiwilligkeit gegen rechtliche Verpflichtungen einzutauschen.
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