Deutschlands starke Abhängigkeit von russischem Öl und Gas ist der Bundesrepublik zum Verhängnis geworden. Eine Politik der Reaktion – anstatt Aktion. Längst hätte sich Deutschland unabhängig(er) von einzelnen Exportländern machen können und müssen, erst der Ukraine-Krieg hat dies wieder ins Bewusstsein gerufen. Die Zukunftsfähigkeit des deutschen (Außen-)Wirtschaftsmodell wird dadurch infrage gestellt: Sollte Deutschland sein bisheriges Erfolgsrezept für Wohlstand überdenken?
Import vs. Export
Deutschland ist insbesondere im Energiebereich stark auf Importe angewiesen. Es gilt, vor allem was Erdgas, Erdöl und Steinkohle betrifft, als ein rohstoffarmes Land. So wurden im Jahr 2017 um die 70 Prozent des Energieaufkommens durch Energieimporte gedeckt. Das Problem dabei: Deutschland setzte dabei größtenteils auf ein Land, Russland, als wichtigsten Energie- Rohstofflieferanten und geriet so in eine erhebliche Abhängigkeit.
Zugleich ist Deutschlands Wirtschaft maßgeblich vom Warenexport abhängig. Dieser hat sich in den letzten 25 Jahren circa verdreifacht. Knapp jeder vierte Arbeitsplatz hängt vom Export ab. Zwar hat der Exportüberschuss Deutschlands Wohlstand in den vergangenen Jahren gesichert, macht das Land aber stark von der Weltkonjunktur abhängig.
Einseitigkeit der Industrie
Die Wirtschaft Deutschlands wird durch vier Branchen dominiert: Automobilbau, Maschinenbau, Chemische und Elektro-Industrie. Zu den Global Playern zählen insbesondere Volkwagen, Daimler, BMW, BASF und Siemens. Durch die hohe Anzahl an Arbeitsplätzen, die an diesen Branchen – allen voran der Automobilbranche – hängen, ist die Politik ihnen gegenüber oftmals sehr entgegenkommend. Nach dem Motto „too big to fail“ hält die Politik trotz erkennbar gravierenden Fehlern ihre schützende Hand über die Automobilbauer, wie es beispielsweise bei der „Dieselaffäre“ der Fall war. Dennoch wächst der Druck auf Deutschlands größten Wirtschaftszweig durch die rasche Digitalisierung und höheren Umweltstandards enorm. Die internationale Konkurrenz aus dem Silicon Valley und China droht Deutschlands Schlüsselindustrie zu gefährden. Der Forschungsrückstand gegenüber dem Ausland ist ohne eine rasche Transformation nicht mehr einzuholen.
Auch die restlichen Hauptbranchen sind allesamt sehr rohstoff- und energieintensiv. Demnach stehen der Wirtschaft Deutschlands angesichts steigender Energiepreise sowie begrenzter Ressourcen dunkle Zeiten bevor.
„Wir brauchen ein neues Wirtschaftsmodell“
Ein klares Statement der früheren Generalsekretärin des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen, Maja Göpel, die für eine zeitgerechte Klimapolitik plädiert, die grenzenlosem Wachstum entgegensteht.
Ungeachtet der Tatsache, dass Deutschland rohstoffarm ist, sind auch die Ressourcen, die aus dem Ausland bezogen werden, endlich. Fakt ist: Das aktuelle Wirtschaftsmodell kann so nicht funktionieren. Wenn die Rohstoffe und fossilen Energieträger aufgebraucht sind, können keine weiteren aus dem Nichts erschaffen werden. Daher muss sich die Wirtschaft breiter aufstellen und dabei auch verstärkt auf ressourcenschonende und nachhaltige Branchen fokussieren. Damit kann auch vermieden werden, dass einzelne Branchen aufgrund der Sicherung vieler Arbeitsplätze eine Sonderbehandlung der Politik genießen. Das klassische Arbeitsplatz-Argument wäre überholt und der Druck der Wirtschaftslobbys einzelner Branchen geringer.
Gleichzeitig sollte sich Deutschland eine größere Unabhängigkeit von einzelnen Lieferländern verschaffen. Dabei geht es nicht darum, sich aus dem Welthandel zurückzuziehen, vielmehr sollten Verträge mit verschiedenen Staaten geschlossen werden, um das Risiko von Lieferengpässen künftig zu reduzieren. Noch ist es möglich, auf neue, diverse Wirtschaftszweige umzusteigen, die nachhaltig bestehen können. Anderenfalls läuft Deutschland Gefahr, ins eigene Verderben zu rennen.
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