Die Vier-Tage-Woche: Nur ein Trend oder das Arbeitsmodell der Zukunft?

Jede Woche ein verlängertes Wochenende und somit mehr Zeit für Familie, Freunde und Hobbys bei gleichbleibendem Gehalt – könnte es etwas Schöneres geben? Spätestens seit einem britischen Pilotprojekt, das zu durchweg positiven Ergebnissen kommt, ist die Vier-Tage-Woche in aller Munde. Es sprechen dennoch viele Gründe dafür, dass der Hype schnell wieder enden wird.

Die Resultate der mit 61 Unternehmen weltweit größten Studie zur Vier-Tage-Woche sind beeindruckend. So sank beispielsweise die Burnout-Rate der Mitarbeiter um 71 Prozent und 56 der 61 Unternehmen wollen das neue Arbeitsmodell vorerst beibehalten. Bei genauerem Blick auf das Thema wird jedoch klar, dass die Vier-Tage Woche mehr Schein als Sein ist.

An der Studie nahmen überwiegend Arbeitnehmer mit klassischen Büro-Jobs teil. Für viele Branchen, die an mindestens fünf Tagen der Woche für ihre Kunden zur Stelle sein müssen oder beispielsweise im Gesundheitswesen tätig sind, ist die Vier-Tage-Woche dagegen nur eine Wunschvorstellung. Die verlorene Zeit müsste durch neue Mitarbeiter kompensiert werden. Bei gleichbleibendem Gehalt bedeutete das eine Kostensteigerung von 20 Prozent. Aus diesem Grund findet auch das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung die Vier-Tage-Woche für komplette Branchen unrealistisch. Dabei wurde der aktuelle Fachkräftemangel noch nicht berücksichtigt, denn abgesehen von den zusätzlichen Kosten müssten die neuen Bewerber erst gefunden werden.

Ein weiterer positiver Aspekt der britischen Studie ist die – trotz der reduzierten Arbeitsstunden – gleichbleibende Produktivität der Beschäftigten. Auch hier muss beachtet werden, um welche Berufsfelder es sich handelt. Arbeiter am Fließband oder Kindergärtner beispielsweise können den Output durch eine persönliche Produktivitätssteigerung nicht erhöhen. Dementsprechend kann bei solchen Berufen eine Produktivitätssteigerung kein Argument für die Vier-Tage-Woche sein. Außerdem zeigt die gleichbleibende Arbeitsleistung, dass vorher offenbar ineffizient gearbeitet wurde. Eine Steigerung des Leistungsniveaus hätte auch durch andere Maßnahmen, wie ein verbessertes Zeitmanagement oder ein angenehmeres Arbeitsklima, erreicht werden können. Somit ist die Vier-Tage-Woche nur ein Indikator dafür, dass viele Unternehmen das Produktivitätspotenzial ihrer Mitarbeiter noch nicht ausgeschöpft hatten.

Für Unternehmen mit einer stark schwankenden Nachfrage ist die Vier-Tage-Woche zusätzlich unattraktiv, weil sie Einbußen in der Flexibilität bedeutet. Um auf die neuen Kundenbedürfnisse schnell reagieren zu können, müssten Überstunden geleistet werden. Da deutsche Arbeitnehmer aber nur maximal zehn Stunden pro Tag arbeiten dürfen, müsste auf den fünften, den eigentlich freien Arbeitstag, ausgewichen werden. Schnell landet man wieder bei einer regulären 5-Tage-Woche.

Insgesamt lassen sich drei Hauptgründe festhalten, wieso ein Unternehmen die Vier-Tage-Woche implementieren kann. Erstens, der reale Gewinn des Unternehmens lässt es zu, die Personalkosten zu erhöhen. Statt die Gewinne für den Aufbau von Rücklagen zu nutzen, können diese den Arbeitnehmern in Form einer 4-Tage-Woche „ausgezahlt“ werden. Zweitens, vor der Einführung der 32-Stunden-Woche wurde schlicht ineffizient gearbeitet und eine Reduzierung der Arbeitszeit bringt keine Produktivitäts- und damit auch keine Gewinneinbußen mit sich. Drittens, die Unternehmen haben keine großen Schwankungen in ihrer Nachfrage.

Aus diesen Gründen ist die Vier-Tage-Woche bei gleichbleibendem Gehalt nur für wenige Angestellte ein realistisches Arbeitsmodell für die Zukunft. Für den Großteil der deutschen Arbeitnehmer ist dieser Traum von einer verbesserten Work-Life-Balance nicht realisierbar und der Hype um die Vier-Tage-Woche wird langsam aber sicher enden.

Kommentare

2 Antworten zu „Die Vier-Tage-Woche: Nur ein Trend oder das Arbeitsmodell der Zukunft?“

  1. Avatar von Paul Adrian Meyer
    Paul Adrian Meyer

    Ein guter Artikel, der m.M.n. viele wichtige Aspekte der Thematik aufzeigt. Eine weitere Problematik an der Debatte um die viert Tage Woche in Deutschland war m.E. auch, dass sie generell auf der falschen Ebene geführt wurde. Solcherlei Fragen sollten nicht in der großen Politik, sondern in den Verhandlungen einzelner Arbeitsverhältnisse beantwortet werden. Nur hier verfügen alle Beteiligte für den jeweils gegeben Fall über die notwendigen Informationen.

  2. Avatar von Tim T.
    Tim T.

    Meiner Meinung nach wird hier die völlig falsche Frage gestellt. Die relevante Frage ist nicht, ob Unternehmen einen Anreiz haben eine 4-Tage-Woche umzusetzen. Viel eher sollte man sich fragen, ob durch Staat und Gewerkschaften die Regelarbeitszeit gesenkt werden sollte. Die Antwort lautet Ja.

    Durch technologischen Fortschritt sinkt die relative Nachfrage nach dem Produktionsfaktor Arbeit. Wenn das Angebot nicht ebenfalls sinkt, drückt das den Preis der Arbeit, den Lohn. Arbeiter stehen vor einem Collective Action Problem: Individuelle Reduktionen der Arbeitszeit führen nicht zu einer Erhöhung des Stundenlohns. Dennoch könnte ein Individuum es bevorzugen eine 32-Stunden-Woche zu arbeiten, wenn dies mit weniger als einer 20%igen Reduktion im Lohn einhergeht. Diese Option steht aber nur durch kollektives Handeln per Staat oder Gewerkschaften zur Verfügung.

    Von 1991 bis 2019 hat sich das reale BIP pro Kopf in Deutschland verdoppelt. Es wäre sinnvoll einen Teil des dahinter stehenden Produktivitätswachstums in mehr Freizeitkonsum zu stecken, denn mehr Wohlstand bedeutet für normale Güter eine höhere Konsumpräferenz. Das Arbeitsvolumen pro Einwohner ist aber entgegen dem historischen Trend in diesem Zeitraum stagniert und nur um schlappe 0.2% gesunken.

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