Die „Altersrente für besonders langjährig Versicherte“, kurz: Rente mit 63, „kostet Wohlstand, belastet zukünftige Generationen und setzt falsche Anreize“, so Unionsfraktionsvize Jens Spahn. Mit dieser Aussage entfachte er eine hitzige Debatte. Die CDU fürchtet einen drastischen Fachkräftemangel durch die Rente mit 63, welcher die deutsche Wirtschaft schwäche. Die SPD entgegen empfindet ihre Abschaffung als rücksichtslos und ungerecht. Doch wem widerfährt hier tatsächlich Unrecht?
Im Jahr 2014 wurde die Rente mit 63 von der damaligen schwarz-roten Bundesregierung eingeführt. Sie zielt auf Versicherte, die mindestens 45 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt haben. Vor 1953 Geborene konnten nach dieser Regelung ohne Frührentenabschläge im Alter von 63 Jahren in den Ruhestand treten, also zwei Jahre vor dem regulären Rentenalter dieser Altersgruppen. Für später Geborene steigt die Altersgrenze schrittweise an, weil das reguläre Renteneintrittsalter nach und nach auf 67 Jahre angehoben wird. Der Abstand von zwei Jahren zwischen der Altersgrenze für besonders langjährig Versicherte und der Regelgrenze bleibt dabei erhalten, sodass ab dem Geburtsjahrgang 1964 ein abschlagsfreier Renteneintritt mit 65 Jahren möglich ist.
Tatsächlich setzt die Rente mit 63 falsche Anreize. Das zeigt sich unter anderem darin, dass sie von viel mehr Menschen als ursprünglich erwartet beantragt wird.
Dies erweist sich als problematisch, da es infolgedessen schlagartig an qualifizierten und erfahrenen Arbeitskräften fehlt, denn sie sind es meistens, die überhaupt auf 45 Beitragsjahre kommen. Es kommt zu einem Fachkräftemangel. Um diesem entgegenzuwirken, wird von Politikern wie Jens Spahn und anderen die Abschaffung der Rente mit 63 und eine Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre für alle gefordert. Eine Studie unterstützt dieses Vorhaben mit dem Ergebnis, dass die Fachkräftelücke ohne die Möglichkeit der Rente mit 63 um etwa 10-20 Prozent kleiner wäre.
Zudem spricht der demographische Wandel für die Abschaffung der Rente mit 63. Die Bevölkerung in Deutschland altert dramatisch. Schlimmer noch: Eine Prognose des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zeigt, dass in den kommenden Jahrzehnten der deutsche Arbeitsmarkt trotz Zuwanderung stark schrumpfen wird. Bis zum Jahr 2060 werde die Zahl der Erwerbstätigen von 45,7 Millionen auf 40 Millionen sinken. Das Verhältnis von Beitragszahlern zu Rentnern werde damit signifikant abnehmen. Das bringt eine deutliche Belastung für die jüngeren Generationen mit sich, denn diese müssen die Kosten tragen.
Konkret bedeutet diese Entwicklung einen Mehraufwand von fast 140 Milliarden Euro für die Beitragszahler bis 2035. Dabei kann die Rente bereits heute nicht allein aus den Rentenbeiträgen finanziert werden. Sie wurde 2020 zu 24 Prozent aus dem Bundeszuschuss zur Rentenversicherung finanziert. Das geht wiederum zu Lasten der jüngeren Generationen. Ist es fair, dass dieses Geld den Rentnern zugutekommt, für die der abschlagsfreie vorzeitige Renteneintritt im Grunde nur ein unerwartetes Geschenk der Bundesregierung war? Wäre es nicht sinnvoller und gerechter, das Geld in den Klimaschutz zu investieren und somit den jüngeren Generationen eine lebenswerte Zukunft zu ermöglichen?
Befürworter der Frührente weisen darauf hin, dass eine Abschaffung der Rente mit 63 respektlos gegenüber Menschen sei, die ihr Leben lang hart gearbeitet haben. Zum Beispiel Dachdecker. Dem muss jedoch entgegengesetzt werden, dass eine Frührente nicht zwingend die Lösung sein muss, wenn man im Alter keine körperlich harte Arbeit mehr verrichten kann. Altersgerechte Arbeitsbedingungen oder technische Innovationen können dabei helfen, Menschen länger im Berufsleben zu halten. Ausgerechnet bei den Dachdeckern lässt sich dies wunderbar beobachten: Sie verwenden heutzutage Drohnen, um Dächer ungefährdet inspizieren zu können und steigen nur noch bei tatsächlichen Schäden aufs Dach. Gerade ältere Dachdecker bringen sehr viel Erfahrung mit, um auf den Drohnenbildern schnell zu erkennen, ob ein Dachaufstieg der jüngeren Kollegen notwendig ist.
Es zeigt sich also, dass die Rente mit 63 nicht mehr zeitgemäß ist und vermutlich auch nie war. Ihre Abschaffung würde die Beitragszahler deutlich entlasten. Das deutsche Rentensystem ist langfristig nicht mehr finanzierbar und die Abschaffung der Rente mit 63 könnte eine letzte Möglichkeit darstellen, etwas daran zu ändern. Denn die Mehrheit der Wähler ist alt und die Stimmen der jungen Generation werden bald kaum noch hörbar sein.
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