China gewinnt immer mehr Einfluss auf der politischen Weltbühne. Grund dafür sind Investitionen in Infrastruktur auf der ganzen Welt: „Die Seidenstraße 2.0“. Doch ausgerechnet das Wanken Russlands im Ukraine-Krieg könnte verheerende Auswirkung auf das Projekt haben.
Sowohl Russland als auch China haben imperialistische Tendenzen. Russland setzt seit Jahrzehnten seine Nachbarn politisch sowie militärisch unter Druck. Das jüngste Opfer ist die Ukraine. Im Februar 2022 überfiel Russland das Land unter dem Vorwand der „Entnazifizierung“ und „Befreiung der russischen Minderheiten“. Putin rechnete mit einem kurzen Einsatz. Die Realität sieht anders aus. Durch die beeindruckende Standhaftigkeit der Ukrainer und das Zusammenrücken des Westens gegenüber Russland verteidigt sich die Ukraine bis heute – über ein Jahr später.
In Asien gibt China ein ähnliches Bild für seine Nachbarn: Regelmäßige Drohungen gegen Taiwan und andauernde Konflikte wegen Gebietsansprüchen im Südchinesischen Meer. Auf der globalen Bühne betreibt China einen subtileren, modernen Imperialismus. China setzt auf wirtschaftlichen Einfluss. Die sogenannte „Seidenstraße 2.0“ ist Teil des ambitionierten chinesischen Projekts „Belt and Road Initiative“ (BRI), das darauf abzielt, durch den Bau von Infrastrukturprojekten in Asien und Europa, unter anderem auch in Deutschland, die Handelswege zu verbessern und die wirtschaftliche Integration zu fördern. Die Initiative hat China in den letzten Jahren eine bedeutende Rolle in der Region und der Weltwirtschaft verschafft. Kritiker sehen im Projekt jedoch den Versuch, Einfluss und Druck auf andere Länder zu schaffen, um chinesische Ziele durchzusetzen.
Die „Seidenstraße 2.0“ ist dabei sowohl geografisch als auch politisch ohne Russland und die Ukraine schwer umsetzbar. Der andauernde Ukraine-Krieg könnte für das „BRI“-Projekt jetzt das Aus bedeuten: Wirtschaftlich steht Russlands Ukraine-Krieg den chinesischen Interessen entgegen. Die Ukraine ist einer der größten Handelspartner Chinas und galt als „neue eurasische Landbrücke“. Zusätzlich kam es durch den Krieg zu einem sofortigen Abkühlen der Beziehung zwischen Russland und dem Westen. Sanktionen, Gegensanktionen und der Rückzug westlicher Unternehmen aus Russland belasten die wirtschaftlichen Beziehungen nach wie vor. Das wirkt sich verheerend auf Chinas Logistikprojekt aus. Die aus dem Krieg resultierenden Unsicherheiten über die allgemeine politische und wirtschaftliche Situation in der Region machen den geplanten Ausbau für Investoren unattraktiv. Auch ein Sieg Russlands wäre nach heutigem Stand nicht in Chinas Interesse. Dieser würde zu einer Verhärtung des Konflikts zwischen Russland und dem Westen führen und Chinas neue Infrastruktur nahezu nutzlos machen.
Den Angriffskrieg und Völkerrechtsbruch Russlands verurteilen will Peking nicht. Denn Putin zu schwächen, kann nicht im Interesse Chinas sein. Ein stabiles Russland bleibt ein Verbündeter Pekings im Kampf mit den USA um die Vorherrschaft auf der globalen Bühne. Ein Kriegsausgang zugunsten der Ukraine würde Putins Stellung innerhalb Russlands aller Voraussicht nach erheblich schwächen, wenn nicht beenden. Auch das ist nicht im Interesse Chinas. Die bereits beschlossene Zusammenarbeit mit Russland für die „Belt and Road Initiative“ wäre damit in Gefahr.
Aber auch ein klares Bekenntnis zu Russland hätte zur Folge, dass es zu geopolitischen Spannungen zwischen China und dem Westen führen könnte, die die BRI-Finanzierung und -Umsetzung stark beeinträchtigen würden. Besonders in Ländern, in denen der Widerstand gegen den Ausbau der neuen Seidenstraße aufgrund potenzieller wirtschaftspolitischer Abhängigkeiten und sicherheitspolitischer Bedenken besonders stark ist.
Pekings Haltung im Ukraine-Krieg bestimmt also die Umsetzbarkeit der „Seidenstraße 2.0“ und die damit einhergehende, globale Einflusssphäre. Kein Wunder also, dass Chinas Außenpolitik einem Drahtseilakt gleicht. Auf der einen Seite bezichtigt China die USA, den Ukraine-Krieg zu verantworten und anzufeuern und bekennt sich zur Freundschaft mit Russland, auf der anderen Seite liefert man (noch) keine Waffen, gibt sich neutral und fordert einen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen. Dafür hat Peking eigens ein 12-Punkte-Papier entwickelt.
Chinas Motive scheinen undurchsichtig, sind aber der Versuch der Schadensbegrenzung. Kann Neutralität gegeben sein, wenn China sich händchenhaltend mit Russland zum Friedensrichter auftut? Nein, Peking will den Krieg zu seinen Konditionen beenden: Mit Zugeständnissen an Russland, die die geopolitische Lage gerade genug entspannen, um einen erneuten Eisernen Vorhang zu verhindern und damit den Einfluss von China in Europa zu festigen. Das weitere Vorgehen Chinas hängt vom Verlauf des Krieges ab. Sowohl dem Westen als auch Russland muss dabei klar sein: China hat keine dauerhaften Freunde oder Feinde, nur Interessen.
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