Die Politik stimmt uns auf schwierige Zeiten ein. Wir müssen Gas, Energie und andere Ressourcen sparen, um zumindest halbwegs glimpflich durch den Winter zu kommen. Es scheint, als würden wir in eine schwere wirtschaftliche Krise schlittern und an Wohlstand verlieren. Doch werden wir deshalb auch unglücklicher?
Weniger Wohlstand gleich weniger Glück?
Wenn wir unser Glück nur durch materiellen Wohlstand – traditionell gemessen am Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt – definieren, dann sieht es derzeit ziemlich düster aus. Der Klimawandel erfordert neue Technologien und den Ausbau erneuerbarer Energien. Auch die Bekämpfung der noch nicht überstandenen Covid-19-Pandemie sowie die Folgen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine, all das kostet etwas. Das bedeutet, dass wir es nicht so einfach haben werden wie bisher. Faktisch an Wohlstand verlieren werden. Und das merkt jeder Einzelne: Die explodierenden Preise bedeuten einen Wertverlust im eigenen Geldbeutel.
Wenn wir unser Glück aber auch aus anderen Perspektiven betrachten, sieht es aktuell gar nicht so schlecht aus. So schlägt die Global Solutions Initiative vor, Glück neben dem rein materiellen Wohlstand auch anhand der sozialen Befähigung jedes Einzelnen, der Solidarität in einer Gesellschaft sowie der ökologischen Nachhaltigkeit zu messen. Die überwältigende Hilfsbereitschaft, die viele Bürger ukrainischen Kriegsflüchtlingen ehrenamtlich entgegengebracht haben, oder das Drängen vieler Bürger auf den Umstieg zu erneuerbaren Energien zeigen beispielhaft, dass uns Menschen weitaus mehr wichtig ist als das Bruttoinlandsprodukt.
Glücksforschung in der Ökonomie
Die Erkenntnisse der Glücksforschung finden zunehmend Anklang in den Wirtschaftswissenschaften. Laut dem Schweizer Ökonom Bruno S. Frey hat die Glücksforschung gar das Potenzial, die Wirtschaft grundlegend zu verändern. Das Forschungsfeld liefert mithilfe von psychologischen Instrumenten zur Messung des Glücks neue Erkenntnisse darüber, wie Menschen Güter, Dienstleistungen und ihr soziales Umfeld bewerten. Die Einbeziehung immaterieller Werte ermöglicht dabei eine realistischere Sicht auf das wirtschaftliche Verhalten von Individuen.
So zeigt die Glücksforschung beispielsweise, dass Menschen den Nutzen des zukünftigen Konsums oft falsch einschätzen. Sie überschätzen die Zufriedenheit, die aus einem höheren Einkommen resultiert, und unterschätzen den Nutzen von immateriellen Aspekten des Lebens wie Freundschaft, sozialen Beziehungen oder einem gesunden, nachhaltigen Lebensraum. Überlegen Sie einmal: Wie lange macht Sie ein neues Smartphone glücklich? Zehren Sie nicht länger von dem Besuch einer langjährigen Freundin, einem schönen Weihnachtsfest mit der Familie oder der guten Luft während eines Waldspaziergangs?
Diese interdisziplinäre Betrachtungsweise des wirtschaftlichen Verhaltens von Individuen kann wiederum als Grundlage für politische Entscheidungsträger genutzt werden, um – neben der Sicherstellung des Wohlstands – auch das individuelle Wohlbefinden, das eigentliche Glück der Bürger, zu erhöhen. Denn neben Wohlstand sind auch soziale Kontakte, soziale Befähigung und Umweltbewusstsein für ein glückliches Leben essentiell. Politische Entscheidungsträger sollten den Wohlstand also nicht ausschließlich über rein materielle Werte (BIP pro Kopf) definieren, sondern gleichsam auch immaterielle, ökologische und soziale Aspekte berücksichtigen.
Was können wir tun?
Gerade jetzt, da viele den Gürtel enger schnallen und auf das ein oder andere gewohnte Gut verzichten müssen, ist es wichtig, dass wir uns wieder mehr auf das Wesentliche zurückbesinnen. Klar, die materiellen und existenziellen Grundbedürfnisse müssen gedeckt werden. Hier muss unser Sozialstaat handeln und Personen in prekärer finanzieller Lage angemessen unterstützen. Aber für alle anderen gilt: Spart Gas, Energie und andere Ressourcen! Ladet stattdessen eure Freunde und Familie ein und kümmert euch umeinander. Denn gemeinsam (durch Krisen zu gehen) ist besser als einsam.
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