Europäische Asylpolitik: Ineffizienz kann tödlich sein

Eine Reform des europäischen Asylrechts war längst überfällig. Die Gegner einer Prüfung des Asylstatus an den Außengrenzen der EU eint vor allem eines: fehlendes Verständnis für die Tatsache, dass finanzielle Mittel begrenzt sind. Die Kritik an der EU-Asylreform, die auf Einhaltung von Menschenrechten verweist, greift vor allem deshalb zu kurz, weil der effiziente Umgang mit Ressourcen nicht nur ein Gebot der Wirtschaftlichkeit, sondern auch eines der Menschlichkeit ist.

Geld kann Leben retten. Seien es Nahrungsmittel oder medizinische Versorgung, die Aufwendung finanzieller Mittel entscheidet in einer Welt, in der nach wie vor Millionen von Menschen unter extremer Armut leiden, über Leben und Tod. Mittel, die zur Aufnahme und Versorgung von Asylsuchenden ohne Bleibeperspektive verwendet werden, stehen nicht mehr für z.B. Entwicklungshilfe oder humanitäre Hilfe zur Verfügung.

Folgendes Beispiel veranschaulicht die teils gewaltigen Diskrepanzen: Die Aufwendungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz für 23.000 „vollziehbar ausreisepflichtige“ Asylbewerber lagen 2016 bei knapp 300 Millionen Euro pro Jahr bzw. 13.000 Euro pro Person. Regelmäßig kommt es zudem zu Abschiebeflügen, die teils 100.000 Euro für nur wenige Ausreisepflichtige kosten. In der Demokratischen Republik Kongo lebten 2022 62 Prozent der Bevölkerung und somit 60 Millionen Menschen in extremer Armut (weniger als 2,15 Euro pro Tag). Die Bundesrepublik hat dem Kongo in den Jahren 2021 und 2022 knapp 131 Millionen Euro an Entwicklungshilfe zur Verfügung gestellt. Also knapp 1 Euro pro in extremer Armut lebender Person im Jahr. 

Asyl ist ein Menschrecht. Aber es gibt laut Artikel 25 (Recht auf Wohlfahrt) der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte auch ein Recht auf eine angemessene Versorgung mit elementaren Bedarfsgütern. Wie ist zu rechtfertigen, dass wir Menschen dieses Recht verwehren, nur, weil sie es nicht an die Außengrenzen der EU geschafft haben?

Nach vielen Jahren ohne adäquate Lösung für die Schwierigkeiten des europäischen Asylverfahrens hat sich der Europäische Rat endlich auf eine finale Grundlage für eine Überarbeitung des europäischen Asylverfahrens geeinigt. Damit ist der Weg frei für Verhandlungen zwischen dem Ratsvorsitz und dem Europäischen Parlament. Im Wesentlichen sollen Antragsteller ohne Bleibeperspektive ein schnelleres und unkomplizierteres Verfahren bereits an den Außengrenzen der EU durchlaufen. Die Regelung soll hauptsächlich für Personen gelten, die aus einem Herkunftsland mit einer Anerkennungsquote unter 20 Prozent stammen, aber auch jene, die über einen sicheren Drittstaat einreisen, können betroffen sein. Auch soll eine Krisenverordnung den Mitgliedstaaten in außergewöhnlichen Belastungssituationen erlauben, besondere Vorschriften für Asyl- und Rückkehrverfahren anzuwenden.  

Harte Kritik an den Plänen der EU kommt aus Teilen der Ampelkoalition, welche selbst dem Vorschlag zugestimmt hat und hierfür einige Kompromisse eingehen musste, wie auch von zahlreichen zivilgesellschaftlichen Organisationen. 

Ob das neue Asylrecht tatsächlich gegen geltende rechtliche Normen verstößt, lässt sich bezweifeln. Doch selbst unter der Annahme, dass man mit den neuen Regularien die Rechte einzelner Asylsuchender einschränkt, muss die Reform begrüßt werden. Denn durch die Durchführung von raschen Grenzverfahren werden nicht nur Unterbringungskosten gespart, sondern es entfallen auch weitestgehend die teils erheblichen Aufwendungen für Abschiebungen. Nimmt man nun eine relativ konstante Bereitschaft der europäischen Staaten an, finanzielle Mittel für Asylsuchende zu verwenden, so wird man in Zukunft in der Lage sein, bei gleichbleibenden Ausgaben deutlich mehr asylberechtigten Personen zu helfen. Darüber hinaus wird man die freiwerdenden finanziellen Mittel hoffentlich dort einsetzen, wo sie die größte Wirkung entfalten: bei Menschen in größter Not, weit entfernt vom rettenden Europa.

Wenn man wirklich am Schutz von Menschenrechten und an der Rettung von Menschenleben interessiert ist, muss man sich die Frage stellen: Wie und wo setzt man seine Mittel am effizientesten ein? Oder aber man muss in der Lage sein zu erklären, warum einem der eine Mensch 10.000-mal mehr finanzielle Aufwendungen wert ist als der andere.

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