Spätestens seit Russlands Überfall auf die Ukraine hat sich die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie deutlich verschlechtert: so sehr verschlechtert, dass inzwischen das Schreckgespenst der Deindustrialisierung im Land umgeht. Nun gilt es, mit einer nachhaltigen Angebotspolitik gegenzusteuern, um Deutschlands Wohlstand langfristig zu sichern und eine langandauernde Krise der deutschen Wirtschaft zu verhindern.
Im Jahr 2023 hat Deutschland einen Rückgang seines Bruttoinlandsprodukts um 0,3 Prozent erleben müssen. Diese wirtschaftliche Schwäche hat einige kurzfristige Gründe wie die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank. Doch es machen sich auch langfristige, strukturelle Probleme bemerkbar. Ein prominentes Beispiel ist der Chemiekonzern BASF, der in China neue Kapazitäten aufbaut und parallel dazu Kapazitäten in Deutschland verringert. BASF ist dabei kein Einzelfall. Der Bundesverband der deutschen Industrie hat ermittelt, dass 16 Prozent der Unternehmen des industriellen Mittelstandes aktuell dabei sind, Teile ihrer Produktion sowie Arbeitsplätze ins Ausland zu verlagern. Weitere 30 Prozent denken darüber nach, zumindest teilweise abzuwandern. Ein oft genannter Grund: Die Energiekosten in Deutschland seien zu hoch.
Im Zuge des Angriffskriegs auf die Ukraine waren im vergangenen Jahr die Preise für Erdgas und Erdöl in die Höhe geschossen. Mittlerweile sind die Preise zwar wieder gefallen, liegen aber weiterhin auf hohem Niveau. Und was noch wichtiger ist: sie liegen auf einem deutlich höheren Niveau als in anderen Teilen der Welt, z.B. in China oder den USA. Unter anderem aufgrund der hohen Kosten fossiler Energie zählt Deutschland zudem zu den Ländern mit dem höchsten Industriestrompreis weltweit.
Hohe Energiepreise sind ein echter Wettbewerbsnachteil für den Industriestandort Deutschland. Das ist ein schwerwiegendes Problem, denn die deutsche Wirtschaft hängt wie kaum eine andere von ihrem starken Industriesektor ab. 20 Prozent des BIP und damit ein erheblicher Teil unseres Wohlstandes werden hierzulande direkt im verarbeitenden Gewerbe erwirtschaftet.
Was tut die Politik gegen die Energiekrise? Aus Regierungskreisen wurde eine Subventionierung des Industriestrompreises gefordert, beispielweise von Ricarda Lang, der Bundeschefin von Bündnis 90/Die Grünen. Das mag kurzfristig zwar einigen Unternehmen über das Gröbste hinweghelfen, eine langfristige Lösung ist es aber nicht, allein schon aus Finanzierungsgründen.
Langfristig kann die Lösung nur in einer Mischung aus Effizienzsteigerungen durch Innovationen und einer Ausweitung des Angebots an günstigen Energien liegen. Auch vor dem Hintergrund der Klimaziele zur Einhaltung des 1,5°-Ziels bis 2045 wäre es für Deutschland die beste Lösung, die erneuerbaren Energien konsequent auszubauen sowie die Elektrifizierung der Wirtschaft voranzutreiben und parallel eine funktionsfähige Wasserstoffwirtschaft aufzubauen. Vereinfachte Genehmigungsverfahren beim Bau von Photovoltaik-, Windkraft- und Biogasanlagen sowie höhere Investitionen in Speichertechnologien und in den Netzausbau sind Beispiele für Verbesserungsmöglichketen auf der Angebotsseite des Strommarkts. Im Bereich der Wasserstoffindustrie ist vor allem der Netzausbau für entsprechende Versorgungsleitungen schneller voranzutreiben. In allen genannten Bereichen ist die Politik gefragt, um die deutsche Wirtschaft und damit unseren Wohlstand langfristig zu sichern.
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