Befürworter von sportlichen Großveranstaltungen wie den Olympischen Spielen oder der Fußballweltmeisterschaft betonen gerne deren positiven emotionalen Wert. Wer sich die Ausrichtung dieser Veranstaltungen aber genauer anschaut, bekommt das ‚kalte Grausen‘ – auch bei Ausklammerung sämtlicher Dopingskandale.
„Olympia würde die Stimmung heben“, erklärte Michael Vesper, der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Olympischen Sportbundes anlässlich der Olympiabewerbung von Hamburg im Herbst 2015. Zwar sei für ihn Olympia auch durch Macht und Politik geprägt, doch die positive Stimmung und die tollen Emotionen, die eine solche sportliche Großveranstaltung erzeugt, müssten deutlich höher bewertet werden.
Den Spaß und den Unterhaltungswert sportlicher Großveranstaltungen – nicht nur einer möglichen Olympiade in Hamburg, sondern auch im Rückblick auf vergangene Sportereignisse – derart hervorzuheben, ist angesichts der zahlreichen Negativmeldungen aber völlig unangebracht. Sportökonomen beklagen die immer gigantischere Darstellung und effektvollere Ausrichtung. Wer das Geschehen in Sotschi, Südafrika, Rio de Janeiro oder Peking, aber auch die WM-Vorbereitungen in Katar mit zahlreichen Toten auf den Stadionbaustellen mitverfolgt hat, dürfte sich mit dem ‚Argument des Spaßes und der Freude’ eher zurückhalten. Drei ausgesuchte Aspekte zeigen dies mit Nachdruck.
Erstens existieren zahlreiche negative Begleiterscheinungen von Sportgroßveranstaltungen. Ihre Ausrichtung benötigt eine verbesserte Infrastruktur, die oftmals nur mit Umsiedlungen und Umweltschädigungen erstellt werden kann. Durch einen immensen kurzfristigen Zuzug von außerhalb steigen auch die Wohnraumpreise für die Einheimischen. Außerdem wird durch die Aussicht auf hohe Gewinne die Lobbyarbeit lokaler Eliten um öffentliche Gelder zunehmen, was wiederum die Finanzierung anderer grundlegender Güter wie der öffentlichen Sicherheit oder des ÖPNV für die restliche Bevölkerung erschwert.
Diesen negativen Effekten wird dann allzu häufig ein vermeintlicher, aber nur schwer messbarer Wachstumsimpuls für das ausrichtende Land gegenübergestellt. So würde angeblich durch WM, Olympia und Co. die touristische Attraktivität des Landes gesteigert werden. Ob heute tatsächlich mehr Touristen Johannesburg oder Sotschi besuchen, erscheint aber fraglich. Hingegen waren Städte wie Rio de Janeiro oder Kapstadt bereits vor der Ausrichtung der Fußball-Weltmeisterschaften touristisch gut erschlossen.
Zweitens nehmen die von den Veranstaltungen direkt betroffenen Bevölkerungsgruppen diese Art von sportlichen Veranstaltungen zunehmend negativ wahr. Diese Wahrnehmung wird gerade dann wichtig, wenn es um die Rechtfertigung der (teil)staatlichen Finanzierung der Sportveranstaltungen geht. Das Interesse an einem spaßigen Sportereignis für eine kleine Gruppe wird auch durch diejenigen mitfinanziert, die das Ereignis explizit ablehnen. Dies stellt im Falle ärmerer Länder, die schon bei der Finanzierung der grundlegendsten Bedürfnisse Schwierigkeiten haben, einen besonders kritischen Punkt dar.
Drittens werden durch solche sportlichen Großveranstaltungen wenige besser gestellt, während viele schlechter gestellt werden. Die Gewinne aus den Fernsehübertragungen, dem Sponsoring oder dem Infrastrukturausbau gehen häufig an lokale Eliten oder multinationale Unternehmen, während Umsiedlungen, die teureren Eintrittspreise für die Stadien oder die Umweltprobleme dem Gros der Bevölkerung zulasten fallen. Das ist weder gerecht noch wohlfahrtssteigernd.
Schon diese drei Aspekte zeigen, dass vieles gegen eine weitere Ausrichtung sportlicher Großereignisse im derzeitigen Stile spricht. Spaß und Freude klingen da wie Hohn und Spott. Der Sportökonom Holger Preuß von der Universität Mainz stellt auf seiner Institutsseite sechs zentrale Punkte dar, wie die Bedingungen für sportliche Großereignisse verbessert werden können. Sie reichen von der konsequenten Einhaltung der olympischen Ideale über eine saubere Verbandsführung ohne Korruption bis hin zu einer Steigerung des Nutzens der Spiele für die Ausrichterstädte und ihre Bewohner. Vielleicht sollte sich der ein oder andere Vorstandsvorsitzende eines Olympischen Sportbundes diese Seite einmal durchlesen.
Beitragsbild: Björn Neumann / pixelio.de
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