Die Strom- und Gaspreisbremsen: „Doppel-wummst“ es auf den Energiemärkten?

Energiekrise: Strom- und Gaspreise steigen weiter. Aus Berlin kündigt die Bundesregierung einen 200 Milliarden Euro schweren Abwehrschirm an. Ein „Doppel-Wumms“, so Bundeskanzler Scholz: „die Preise müssen runter“. Dafür scheut die Bundesregierung keine Kosten und Mühen – doch die Rechnung zahlen die Akteure auf dem Energiemarkt.

Wie erreicht Deutschland das Einsparungsziel von 20 Prozent beim Strom- und Gasverbrauch? Helfen sollen dabei die kommenden Strom- und Gaspreisbremsen. Sie reduzieren die Preise deutlich, jedoch nur für einen Verbrauch von 80 Prozent der Energiemenge des Vorjahres. Mit anderen Worten: Die Energieverbraucher sollen bitte 20 Prozent Energie gegenüber dem Vorjahr einsparen, denn jeder „Mehrverbrauch“ über die 80 Prozentmarke hinaus muss teuer zum Marktpreis bezahlt werden. Bis zu dieser Marke wird ab März 2023 – und dann auch rückwirkend für den Januar und Februar dieses Jahres – für private Haushalte, kleine und mittlere Unternehmen der Strompreis auf 40 Cent, der Gaspreis auf 12 Cent und der Fernwärmepreis auf 9,5 Cent pro Kilowattstunde gedeckelt. Die Differenz zu den Marktpreisen wird durch den Staat subventioniert.

Ein gewaltiger Bürokratieakt, der sowohl vom Staat als auch von den Energieversorgern viel fordert. Die ursprüngliche Idee, die Strom- und Gaspreisbremsen schon ab Januar 2023 einzuführen, wurde von der Energiebranche für nicht umsetzbar befunden: Die benötigten massiven Anpassungen in den IT-Systemen könnten frühestens bis zum März abgeschlossen werden. Aber auch für den Staat sind mit dem zusätzlichen Aufwand hohe Belastungen für die zuständigen Ämter und Behörden zu erwarten.

Verfassungswidrige Finanzierung

Finanziert wird das Ganze zum Großteil über die Abschöpfung sogenannter „Zufallsgewinne“ der Energieversorger, die krisen- und kriegsbedingt unerwartete Überschusserlöse erzielen. Dies soll sogar rückwirkend ab dem 1. September 2021 bis April 2024 geschehen. Kritiker äußeren schon früh, der Gesetzesentwurf sei verfassungswidrig und nicht mit europäischem Recht vereinbar. Rückwirkende Markteingriffe sind in der Vergangenheit zu Recht mehrfach als verfassungswidrig verworfen worden. Auf EU-Ebene stößt man sich vor allem an der Abschöpfung „fiktiver“ anstatt „realisierter“ Erlöse. Die Bundesregierung kann sich also mit großer Sicherheit auf eine Klagewelle einstellen.

Auch wettbewerbspolitisch bringt das Vorhaben der Bundesregierung fragwürdige Veränderungen mit sich: Um „ungerechtfertigte Preiserhöhungen“ der Energieversorger zu verhindern, bewaffnet man die Kartellämter mit stärkeren Durchgriffsrechten sowie einer ungewöhnlichen Beweislastumkehr: Statt der Kartellämter, die normalerweise nachweisen müssen, dass Preiserhöhungen durch wettbewerbswidrige Praktiken von Unternehmen zustande kamen, sind jetzt die Energieversorger in der Bringschuld und müssen ihre Tariferhöhungen rechtfertigen.

Die „Umkehrung der EEG-Umlage“

Weiterhin führt die Abschöpfung der „Zufallsgewinne“ zu tiefgreifenden Verzerrungen am deutschen Strommarkt. Denn von der Abschöpfung betroffen sind die Energieversorger, die auf Grund von vergleichsweise niedrigen Produktionskosten durch den erhöhten Marktpreis unerwartet hohe Gewinne erwirtschaften können: Also Atom- und Kohlestrom, deren Rohstoff-Märkte durch die Krise nicht direkt betroffen sind, und allen voran die Erneuerbaren Energien.

Die Aussicht auf Gewinnabschöpfung verringert dabei insbesondere die Investitionsanreize für erneuerbare Energie. Diese Investitionsausfälle haben dann auch höhere Strompreise für die Verbraucher zur Folge, denn ohne den weiteren Ausbau erneuerbarer Energiequellen treibt vor allem die Gasverstromung den Strompreis in Zukunft noch höher. Vertreter der erneuerbaren Energien fordern deshalb, dass bei Grünstromversorgern nicht abgeschöpft werden solle, um den durch aktuelle Lieferengpässe bei Vorprodukten u.a. im Windradturbinenbau ohnehin schon stark beeinträchtigten Ausbau der Erneuerbaren nicht weiter zu behindern.

Der große Verlierer ist also ausgerechnet die Energiewende: Bis Juli dieses Jahres wurden die Erneuerbaren noch durch die im Strompreis enthaltene EEG-Umlage von den Stromverbrauchern bezuschusst. Mit der Abschöpfung von „Zufallsgewinnen“ droht nun aber eine „umgekehrte EEG-Umlage“, durch welche die Erneuerbaren als Hauptträger der Abschöpfung die Nutzung von fossilen Energiequellen finanzieren müssen.

Stromsteuersenkung statt Preisbremse

Die Preisbremsen sind also nicht nur teuer, rechtlich fragwürdig, komplex und bürokratisch, sondern führen auch noch zu nachhaltigen Verzerrungen der Energiemarktdynamik.

Dass der Staat der Bevölkerung in Zeiten der Krise unter die Arme greifen muss, ist unbestritten. Die Bundesregierung hätte es aber auch einfacher haben können: Anstelle der Preisbremsen wären eine Senkung der Stromsteuer und ergänzend das temporäre Aussetzen des Umlagen- und Abgaben-Wirrwarrs die richtigen Ansätze gewesen. Dass die Bundesregierung einfache Maßnahmen durchaus umzusetzen bereit ist, hat sie mit der vorzeitigen Abschaffung der EEG-Umlage gezeigt. Eine Entlastung über die bereits vorhandenen Energiepreiselemente wäre nicht nur unbürokratischer, sondern würde für Verbraucher auch ein wenig mehr Licht ins dunkle Energiepreis-Debakel bringen.

Statt aber mit den vorhandenen Stellschrauben zu arbeiten, dabei den bürokratischen Aufwand zu minimieren und keine Verzerrungen am Markt zu riskieren, reagiert die Bundesregierung in einer schon fast typischen Panik mit kurzsichtigen Preisdeckeln und „doppel-wummst“ die Energiewende gleich mit um.


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